„Du, der hat mich gefragt, warum ich an ihm vorbeigegangen bin!“

„Was hat du gesagt?“M

„Ich weiß von nichts!“

„Und weiter!?“

„Angenehm“ (passt, markiert S1)

„Ja, … und?“

„Ach, du weisst doch, da sind Zwei in mir!“

„Ja, ja …?“

„Das eine hört nicht auf achtsam zu sein, voraus zu schauen und nachzuspüren – seine Schritte sind etwas zu kurz, er gibt seine Brust nicht in vollem Umfang, seine Rechte drückt, vor allem in der Linksdrehung, da knickt er auch etwas in der Hüfte ein und ich komm aus meiner Achse – aber es geht, wenn ich mich darauf einstelle – ich komm dann in den Modus und nehme seine Schritte vorweg, was natürlich störend ist, wenn sein Schritt dann doch was anderes will, aber er ist gut in der Musik, hat einen eigenen Rhythmus, etwas zu hastig bei Figuren, aber angenehm!“

„…und weiter?!“

„Er riecht, ich kann nicht sagen wie, aber trotzt des Parfums – ist übrigens Aramis – kann ich ihn riechen; gross genug ist er ja, und dann habe ich bemerkt, dass meine Stirn an seiner Schläfe klebt – auch angenehm muss ich sagen. Übrigens hat er große weiche Hände, was ich ja mag!“

„… und das Andere?“

„Hab dir ja schon erzählt, von den Momenten, damals die Milonga in Arnheim, als ich plötzlich die Kälte in dem Köper des Typen gespürt habe, die in meine Brust kam und wo ich doch so erschrocken bin – oder hier in Köln, als mir in der Tanda der Gedanke an eine Uhr kam und die Tanda für mich ab dann reine Mechanik war, … na ja, und das Ereignis von damals, als ich wohl einen Augenblick weggetreten war, mit heißem Kopf wieder zu mir gekommen bin und mich geschämt habe – so etwas könnte mir auch bei dem Kerl hier passieren!“

“ … das war nicht ein Augenblick, meine Liebe!“„… und was hat er nach der Tanda gesagt?“

„… das Rot, passt zu den Pailletten!“

Der Tanguero handelt hier als Relais, als Schritt für Schritt, wodurch die Tanguera ihre Augen schließt, ihn lediglich in seiner Relaisfunktion wahr-nehmend, sich von sich (als eine „die“) entfremdet, sich separiert und zu dieser Alterität kommt; sie es sich selbst zu eigen macht – sie sich sich selber fremd macht -, und es/sich ihm dabei offenlegt, so dass er an-Teil nehmen und es sich, nur so, ebenso zu eigen machen kann – dieses „Ding der Tanda“.

  • Wobei hier der Schritt sinnbildlich für die gesamte, mit ihm verbundene Haltung steht, von der des Körpers, des Geistes, des Empfindens den Anderen und für den Anderen – die Schritt-Haltung, das Schritthalten, das den Schritt halten.

Der – ein demonstratives Pronomen, ein bestimmter, geschlechtsbestimmender Artikel (Maskulinum) – der Schritt der Tanda.

Signifikant – Das, was einen bedeutsamen Effekt hervorrufen kann (bedeutungsstiftend), etwa als gehörte oder innere Worte („Schöne Frauen“, „gute Tänzer“, wodurch erst bewusst wird, dass die Frauen „schön“ sind und die Männer „gut“ tanzen – nachträglich) oder Teile davon (etwa das „nee“ in „die lieber nicht“), als innere Wahrnehmungen (das Herz pocht), wahrgenommene Objekte (das rote Etwas). Signifikant ist etwas dann, wenn es einen signifikanten Effekt hervorrufen kann, etwa wenn das Gelernte im Tango sich so entpuppt, dass es eine schöne Tanda hervorbringt – der Schritt der Tanda ist (ein) Signifikant!

  • Nur, was bringt er hervor, was entpuppt sich da, und für wen?

Der Signifikant (S) – Sind die Schritte des Tango so erlernt und erprobt, so, dass sie, zu Figuren verkettet, etwas bedeuten, Sinn stiften, einen bedeutsamen Effekt haben, vielleicht einen Affekt und eine wahrgenommene Antwort im Schritt des Anderen, dann erst ist es keine Mechanik sondern Signifikanz, mit all der daran gebundenen, nachträglichen Körperlichkeit im Ich (moi) und im anderen.

Der Tanguero fungiert als (bedeutsames) Relais – als fernbetätigter Schalter, mit in der Regel zwei Schaltstellungen – als Auslöser eines (at best, signifikanten) Schrittes, einer Figur – die als ein Angebot von Bewegung und Stillstand, bewegend und beruhigend (digital, an-aus, 0-1, eben eine Relaisposition) erlebt werden kann – wie stolpernd und virtuos auch immer, sofern als Geleiten.

  • Der Tandaschritt als solcher, ein Prototyp, prototypisch für alle je möglichen Tangoschritte, leer an sich und ohne Bedeutung, so wie der Prototyp einer Vase, nur durch die abstrakten Begriffe der Form (ein Rahmen, eine Fassung) und des Inhaltes (des dort, wo durch die Form ein leerer Raum entsteht, ein Nicht) und der Funktion (des zum Einfüllen und Enthaltene) beschrieben und doch in allen je hergestellten Vasen enthalten, doch nie konkret, vielleicht als Idee denkbar – ein letztendlich leerer Signifikant.
  • Der Tandaschritt, als einer der Vielen, die es da gibt, potentiell möglich, sofern er konkret Tanzbar ist und potentiell verfügbar, sofern im Repertoire – so wie das Repertoire der deutschen Sprache, mit allen lexikalisch verfügbaren Worten und grammatikalisch möglichen Sätzen – das Feld der Signifikanten, der Signifikantenschatz.
  • Der Tandaschritt, als dieser, aus dem Signifikantenschatz hervorgeholt, als gelebt, getanzt, der geäußerte Schritt – das Feld der gegenwärtigen Signifikanten zeichnend – dieser Signifikant.
  • Die Tanda, als das in der Tanda zum Ausdruck kommende Können, als Wissen, um die mir verfügbaren, um meine tanzbaren Schritte – eine Signifikantenverbindnung, die Signifikantenkette (S1 zu S2). Und diese geäußerten Schritte setzen ein Zeichen, für den Zeichengeber selbst (Ihn und sie) und den Entzifferer (sie und Ihn)

Das macht Sinn, das ist Sinn stiftend, die getanzten Schritte (S1-S2), aus innerlich und äußerlich vernehmbare Zeichen, zu einer Figur verdichtet, einem Bild, einer Metapher, und von Schritt und Schritt getanzt, von Figur zur Figur verschoben, eine Sequenz, eine Metonymie.

Das – ein demonstratives Pronomen, ein unbestimmter, geschlechts-unbestimmender Artikel (Neutrum) – etwa das empfundene Gleiten der Tanda, begleitend von S1 zu S2

Signifikat – Ist sie „Schön“, da sie schön ist, oder ist sie schön, da ich sie als „Schön“ wahrnehme, erkenne, anerkenne, benenne? Das innere Begleiten, Begreifen, Erleben präsentierter und als Wahr-(an-)genommener Zeichen, als durch die Schritte hervorgerufene Signifikation (Bedeutung), die Signifikanz eines Zeichens (etwa einer Relaisfunktion) als dieser Schritt, diese Figur (ja, natürlich, andere sind ja nicht da), als sinnhaft und bedeutsam (ja, klar, um überhaupt angemessen Schrittes antworten zu können), als begleitender Affekt (als das Eigentliche, das Schöne, Lustvolle, Unlustvolle, Ernste, Beschwingende und all das, was wir je bemerken und empfinden können, bis hin zu unseren Symptomen) – der Affekt des Schrittes der Tanda ist (ein, wenn nicht der wesentliche) Effekt des Signifikanten – er fällt von ihm ab!

  • Nur, was am E-/Affekt, und für wen?

Das Signifikat (s) – Das Sinnhafte (seines Wortes, eines Schrittes, einer Geste … als der innerer Nachvollzug) und das Begleiten des Schrittes, die Re-Aktion auf Ihn, auf seine Bewegung und seinen Stillstand, als Effekt eines signifikanten Schrittes, in all der daran gebundenen Körperlichkeit von Erregung und Ruhe (moi), von Effekt als Affekt, sinnhaft und darüber hinaus.

Die Tanguera mit geschlossenen Augen, bestenfalls als Blind gegenüber aller Demonstration des Tangueros, seiner Maskulinität, seiner Bemühung etwas Bestimmtes – ein pro-nomen – zu sein, seinem Prestige (i(a)) – Blind, auch gegenüber der Repräsentation und Interpretation (des inneren Nachvollzuges), der in seinen Schritten enthaltene Absicht und Vorgabe (I(A)), dessen, was absehbar daran sein muss, um gemeinsam zu tanzen; darauf nur, als gut präpariert, reagierend (moi) – offen für das Sein, die Bewegung, als er-Regung, stand-Haftigkeit, als be/un-Ruhigung, vielleicht als Exzess (Ruth Stein), diese Bewegung begleitend, sich davon ge-leitend, um letztlich aller Signifikanz (lat. significare „bezeichnen“) und resultierenden Bedeutung/Sinn-Haftigkeit (signifikation; Bedeutungsstiftung), dem konkreten Inhalt des Zeichens zu entgleiten, hin zur Sache/zum Diskurs selbst, zur „reinen Formsache“, zum Gegenstand des Tangos, zum eigenen Ding – jenseits der Signifikanz/Signifikation, des durch den Signifikanten (SchrittI) gezeichneten Sein (als so-sein hin zum da-sein).

  • Die Bedeutung des Tangoschrittes, als Annahme d/einer Bedeutung, die er schon immer hat, eine feste Verankerung – diesem konkreten Schritt folgt diese konkrete Reaktion – ein Gesetz mit zwangsläufiger Folge von Regelkonformität – eine Fixierung – eine Frage ob die Tanda lebt oder Tod ist, eine fixe Idee, die jeder Tanguero ablegen muss, will er kein Mechaniker, kein Ingenieur sein, die jede Tanguera verlassen muss, will sie sich einlassen, wollen beide aus den vorgegebenen Figuren (Metapher) und Sequenzen (Metonymie) heraustreten – Nicht die Bedeutung bestimmt den Schritt (s zu S) – wie beim Erlernen des Tango -, sondern der Schritt wird bedeutungsstiftend (S zu s) – wie beim freien Tango -.
  • Die Bedeutung des Tanzschrittes, als Annahme r/s/einer Interpretation, die ihm aufgrund seiner Bedeutungsvielfalt, seiner letztlichen Bedeutungslosigkeit erst gegeben werden muss – ein Relativismus – oft als Widerstand gegen die Regeln der Tanda oder die vermeintlichen Schrittvorgaben des Anderen – mit steten Debatten über die korrekten/konkreten Figuren und Sequenzen der Tanda, einem Streit um die Interpretationsherrschaft, um Anerkennung – Nicht die Tanda, der Schritt (S) ist das Symptom (auch wenn er ein Symptom ist), sondern die ihm unterstellte Bedeutung, das Signifikat (s), als Rätsel, als rätselhaft – Verhandlungssache.
  • Die Bedeutung des Tangoschrittes, als Annahme (s)einer Bruchstückhaftigkeit, die aufgrund der Einzelstücke, die eine jede Schritthaltung (= all das von dem jeder weiß, was erforderlich ist, um überhaupt einen Schritt machen zu können, von Kopf bis Fuss, von Herz bis Verstand, von Innen bis Aussen, von mir zu dir) ihn annehmen können, ein Schritt der erst grundlegend zusammengesetzt werden muss, um den vielen Einzelelementen der Schritthaltung einen Sinn anzuhaften, die somit auch grundlegend auseinander fallen kann, sich zerstückelnd, als nicht länger rätselhaftes Mosaik, von dem man wüßte, das es einem Gesamtbild angehört, sondern als regellos, ohne Haftung, als jegliches Fehlen einer Verbindung von S zu s – vielleicht als psychotisch, in all der damit verbundenen Bedrohung für ein Zusammenhalt von moi, i(a) und I(A) – die Angst vor den Untiefen der Tanda.
  • Die Bedeutung des Tangoschrittes, als Annahme m/d/einer Sinnstiftung, die aufgrund des enormen Signifikangtenschatzes (Summe aller S-chritte) der Tanda, eine kreative Selektion und Interpretation des Regelwerks sein kann (S1 zu S2), die aufgrund der rätselhaften Begegnung mit dem Schritt (S) des Anderen (a) – dem Tanguero, der Tanguera – kreative Bedeutungsgebung, Botschaft (S zu s) an den Anderen (a) sein kann, oder, die Sinn-Stiftung aufgrund der in jedem geschätzten Schritt eine stets wiederkehrenden Schritthaltung erkennt, eine Form für einen Inhalt, und die in diese Haltung nicht eine Regel, ein Rätsel, ein Gesetz, ein Mosaik und Bild hineinlegt, darin nichts supponiert (voraussetzt, annimmt unterstellt, von etwas ausgehet, etwas vermutet), sondern mit einer Schritthaltung, aus einer Form für einen Inhalt, antwortet – natürlich heftet sich sogleich ein Sinn, eine konkrete Bedeutung an diese Form – jeder Schritt (S) ist ein Angebot an den bedeutenden Anderen (s(A)) – nur haftet er nicht so heftig, der Schritt, wird erkannt, und vielleicht auch an-erkannt, jedoch begehrt der jeweilige Schrittgeber keine Anerkennung, des so-Seins, sondern des angebotenen Schrittes, als da-Sein (S(Ⱥ)).

Was wäre, wenn der Schritt nur ein Zeichen wäre, bedeutungslos?

Das Zeichen („hell glänzen“, „schimmern“, „scheinen“, althd. zeihhan,„Wunder“), etwas, das auf etwas anderes hindeutet – als in der Spur, etwas, das auf etwas anderes hindeutet, das wiederum auf etwa hindeutet, das wiederum auf etwas hindeutet …

  • z.B. etwas Rotes, eher im kognitiven Bereich, das darauf hindeutet, dass die Pailletten plötzlich passen, oder das „Schöne der Frau“, das darauf hindeutet, das die Frau schön ist, oder
  • der Schritt, der darauf hindeutet, dass jetzt eine volcada (der Mann kippt die Frau kurzzeitig aus ihrer Achse, um sie in einer Kreisbewegung wieder in die Senkrechte zu stellen. Hierbei beschreibt ihr freies Bein eine Kreisbewegung, die mit dem Vorkreuzen oder Rückkreuzen endet), eine parada (Haltestelle; der Mann stoppt die Frau mit der Umarmung und Fußkontakt und gibt der Frau die Zeit, ihn mit Verzierungen zu verführen. Diese Figur nimmt sich Zeit innerhalb der Musik), eine pasada (Drübergehen, das Bein des Partners wird – elegant oder raffiniert – überstiegen. An dem Partner / der Partnerin vorbeigehen) folgt, oder
  • der Schritt, der auf einen Schritt hindeutet, der dann wiederum auf einen Schritt hindeutet, und wiederum auf einen Schritt … bis die Tanda zu Ende ist – und dem die Bedeutung fällt ab, Abfall ist.

Ein Schritt-Zeichen kann als ein bedeutungshaltiger Schritt der Tanda fungieren, als Signifikant (S1) sofern er etwas zu Bedeuteten (s) hat – Achtung, jetzt bitte eine volcada, parada, pasada -. Dem Schritt (S1) wird unterstellt, das er etwas Bedeutsames (s) repräsentiert – sowohl von Führenden als auch vom Folgenden – schön anzusehen und schön empfunden, wenns passt.

Aber diesem Schritt-Zeichen ist die Bedeutung angehaftet worden, in den jahrelangen Tangokursen, wie auch während jeder Milonga – die Verbindungs konditionierend. Das Zeichen wurde signifikant (S1) nur, da wir uns ein Wissen und können darüber (S1 zu S2) angeeignet, gebildet, eingebildet, das Wissen und Können erhalten haben, vom Tangollehrer, von den Videos, zuhause vor dem Spiegel, auf jeder Milonga. Es ist eine uns gegebene und von uns angenommene Bedeutung (s(A)), sie wurde uns gestiftet (sofern wir nicht vorher stiften gegangen sind).

  • Ulla, letztens bei der volcada Übung: „Versuch ihre Bewegung zu begleiten, mit deinem rechten Fuß eine Art U auf den Boden zu zeichnen, zu erst gerade nach hinten, um ihr Bein abzuholen, dann mit deiner gesamten Körper-Bewegung nach links, deinen Fuß und ihren mitzunehmen und dann, jetzt ihr folgend, wieder den Fuß nach Vorne, und Ihren Fuß mit, oder kurz vor deinem deinem absetzen.“
  • Jedem S haftet ein s an, und wir nehmen die Bedeutung des Schrittes an (s zu S) – grundsätzlich, ohne zum hinterfragen – , da wir diese so erhalten, erlernt und erworben haben (s(A)) – es hätte auch anders kommen können – wären wir etwa zum Salsa gegangen, hätten wir vor 50 Jahren Tango gelernt, würden wir Neolonga präferieren – der Signifikant wird erst Bedeutungsträger, wird erst gestiftet (s) und danach erst Bedeutungsstifter (S).

Was aber, wenn die Bedeutung dem Schritt nur Kontingent ist, es sich nur um ein kontingentes Signifikat handelt, die äußeren und inneren Bedeutungen dem Schritt nur zugeteilt wurden, durch Lehrer, uns, Konvention, im Diskurs usw.; zwar angeheftet (s zu S), aber nicht zwingend anhaftend (S/s)?

  • Wir könnten uns aussuchen, wir könnten uns Freiheiten nehmen – und natürlich tun wir dies auch – wir interpretieren den Tango, die Tanda, die Schritte, verändern bestehende Bedeutungen (Metonymie) und schaffen neue (Metapher), lernen immer weiter, perfektionieren und und werden immer virtuoser.

Wir entwickeln unsere eigene Zeichenfolge, unsere Spur – althochdeutsch von spor, Fußabdruck – unsere Signifikantenkette (S1-S2-S3-S4-…Sn) mit unsere Bedeutungen (s1 …. sn), mit der der Tanguero seine Fährte legt, als sein Trittsiegel (im übrigen inklusive der anhaftenden Duftmoleküle), sein eigener Stil (1S/s zu 2S/s zu 2S/s ..), an dem sie Ihn erkennt, um ihre Fährte zu setzen, ihren Siegel (1S/s zu 2S/s zu 2S/s ..) – wobei Führen und Folgen sich nicht länger zu unterscheiden brauchen.

Das kann Jahre so gehen, gut gehen, sein Leben lang, schön, entspannt und gut so!

Wäre da nicht ein Ausrutscher, in Lapsus, und – zumindest für manche – ein Entgleiten, ein Zuviel (Benjamin & Atlas, 2015), ein Exzess (2008), eine nicht zu ertragende Jouissance (Lacan, 1956/66).

Eingeschrieben, eingraviert in den Bedeutungseffekt des Signifikanten, die Schritthaltung, sofern sie (irgend)etwas präsent macht, stiftet – eine empfundene Vorgabe/Regel, ein Absicht, einen Sinn oder nur eine Erregung, als Auf- und Ab-Regung, einen Affekt, eine Erregungskurve, ist etwas, was sich hartnäckig jeder Bedeutung widersetzt, eine Regelhaftigkeit der Signifikantenkette/schrittabfolge, von der nicht abgewichen werden kann, eine Absicht, dem anderen unterstellt, die nicht los-gelassen werden kann und immer zu einem zu früh und zu schnell, einem vor-eilig der Reaktion auf den im Angebot befindlichen schritt reagiert, eine Sinn-haftigkeit, die sich permanent an den Körper der anderen haftet, die im Anderen ein sexuelles Begehren wahrnimmt, eine Erregung, die in regelmäßiger Seltenheit das Herz grundlos höher schlagen lässt oder die einen ermüdet und schlapp hinterlässt, ein Affekt, aus Ekel, Scham, Wut, Trauer oder leicht grinsendem Lächeln, Hochgefühl bis Manie oder aus einem „womanizer“ (Britney Spears), einer princes on the steeple (Bad Dylan) oder einem Angebot (George Michael), sein so-sein, in den Bedeutungen (s1 zu s2 zu s3 …), und schließlich dem Empfinden eine bloßen Erregungskurve z.B. als Rührung, Versenkung, Erschütterung, ein da-Sein, in den Schritten (S1 zu S2 zu S3 …), wenn es so weit überhaupt kommt.

Doch sind wir vom Schritt als reales Objekt (dem körperlichen Akt, den wir als Schritt bezeichnen), seiner Präsenz im Realen (im Fleisch, in Muskel und Sehnen), vielleicht schon (immer) getrennt und erfassen nur noch seine Spur, das was sich uns davon vor-stellt, was eine Erregungsspur in uns hinterlässt, einen Affekt der An-Rührung, An-Mutung (mir fällt hier nichts besseres ein) den wir re-präsentieren und somit erinnern – weit genug weg vom Original – und das ist vielleicht gut so damit nicht alles in seine Einzelteile zerfällt/zersplittert.

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(Quellen: Evans, D. (2002). Wörterbuch der Lacan´schen Psychoanalyse. Bedeutung (S. 50), Metapher (S. 186), Metonymie (S. 190), Signifikant (S. 269), Signifikat (S. 272). Wien: Turia & Kant; Nemitz, R. (2014). Das Signifikat: die durch den Signifikanten modifizierte Strebung. https://lacan-entziffern.de/signifikant/22840/; Nemitz, R. (2013).Juan-David Nasio. Was ist ein Signifikant? https://lacan-entziffern.de/signifikant/signifikant/; Nemitz, R. (2012). Der Signifikant. https://lacan-entziffern.de/signifikant/signifikant-signifikat/; Nemitz, R. (2015). Wissen, S2: das Unbewusste, https://lacan-entziffern.de/unbewusstes/wissen-s2-psychoanalyse/; Nemitz, R. (2012). „Das Signifikat gleitet unter dem Signifikanten.“ https://lacan-entziffern.de/signifikant/8279/; Stein, R. (2008). The Otherness of Sexuality: Exzess. https://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.616.245&rep=rep1&type=pdf; Benjamin, J. & Atlas, G. (2019). The ‘too muchness’ of excitement: Sexuality in light of excess, attachment and affect regulation, https://icpla.edu/wp-content/uploads/2015/09/Benjamin-J.-Atlas-G.-TooMuchness.pdf; Nimetz, R (2017; Lacan, 1065/66). La jouissance – die Lust jenseits des Lustprinzips, das sogenannte Genießen, https://lacan-entziffern.de/geniessen/jouissance-geniessen-lustbefriedigung/; Nemitz, R. (2013). Signifikant eines Mangels im Anderen, S(Ⱥ): das Fehlen eines Signifikanten, der die Wahrheit garantiert. https://lacan-entziffern.de/anderer/22236/)

„Warum verstehen die Kerle nicht, dass wir gar nicht so viel brauchen?“

Der Paso – zur Substanz der Tanda.

S1 wäre ein signifikanter Schritt als corte, als Schnitt, eine Zäsur in der Bewegung, eine signifikante cadena, als Kette, eine sich wiederholende Schrittabfolge, als entrada, Eingehen oder Eintreten in die Schrittfolge des Anderen; als was, als welche Schritthaltung auch immer, jedenfalls als signifikante Haltung (compostura) in der Tanda und dem klingenden Tango.

S2 wäre das je Hervorgerufene, in Kontinenz mit dem je Signifikanten (lat. contingere „berühren, erfassen, nahestehen“ sowie contingit „es ereignet sich, stößt zu“ und contingentia „Möglichkeit, Zufall“).

Er beginnt mit einem ersten Schritt (S1), woher dieser auch letztlich seine eigene Ursachen haben mag, im Tanguer – er macht mit dem ersten Schritt aus sich einen Tanguero in der Tanda. Sie erfasst diese Bewegung in ihrer Art, als ihm unterstellte Absicht, als tangoregelkonform, vielleicht unmittelbar als sein Prestige, über ihre empfundene An-Regung, in ihrem Affekterleben oder einem sonstigen begleitenden Sinn- und Bedeutungseffekt – lust- oder unlstvoll (s) – auch wenn dies letztlich nichts mit dem zu tun haben mag, was er in seinem Schritt als Tanguer anbietet. Ihre Erfassung/ihr erfasst-sein (s) ist zugleich auch ihr Schritt (S1) – auch für ihn -, ein Ereignis, als regelkonform oder als Antwort erwartet, oder als einer von möglichen Schritten, mit empfundener Regung, Affekterleben oder einem sonstigen begleitenden Sinn- und Bedeutungseffekt – lust- oder unlustvoll (s) – seine solche Tanda ist nett, angenehm, lustvoll, unbefriedigend, abgehackt, fließend und alles, was man sonst noch dazu sagen kann, ist S1 zu s2/S2 zu s3/S3 …. sn/Sn (zuweilen in einer ausdrucksstarken Pose endend).

  • Unabhängig davon, wie offen-sichtlich stolpernd oder virtuous die Tanda getanzt wird.

S1 zu s2/S2 zu s3/S3 …. sn/Sn hat Sinn, Bedeutung, Affekte, lustvoll oder unlustvoll oder jegliches Gemisch von Beidem. Aus Sicht der Tanguera – so die Kommentare zur Virtuosität der Tanda – ist es nicht zwingend, als Tanguero, in den Paso, die cadena und alle möglichen Schritte und Haltungen (s)einen Prestige zu legen, sein sich zur Geltung beringen, seine Vorstellung und Phantasie von Mann/Kerl/Typ/Tanguero (i(a)) sein.

  • „Ihre Kerle, gehört ???“

Aus Sicht der Femininität ist die Maskulinität/sind er uns sein Schritt (S) in der Tanda nur Trägersubstanz (Essenz), nicht aber Existenz – nur so-sein/dafür-sein (Mittel zum Zweck), nicht aber da-sein -, hinreichend für das kulturelle Moment, das Tanzen der Tanda, nicht hinreichend für das naturelle Moment, das Sein in der Tanda.

  • Gesucht, ersehnt, wird in der Tanda ein Dasein außerhalb des Soseins und Dafür- oder Dagegenseins, ein außerhalb von Lust und Unlust.

Auch wenn es uns vielleicht nur in den wenigsten, mehr oder minder kurzen Momente vergönnt ist!

Mit der Reduktion des Paso auf eine Relaisfunktion (S1), beiderseits, seines für Sie und Ihres für Ihn – kommt es zu einem „reduced to the max“ (so die Hoffnung), einer Entleerung vom S, von seiner Bedeutung und Sinnhaftigkeit (S/s), und bestenfalls zu einem S zu S, zu getanzten, bedeutungslosen, leeren Schritten, einem Schritt, der Signifikant eines Mangels im Anderen ist (S(Ⱥ)).

  • Doch sind wir die Bedeutung los, sind wir bedeutungslos – und wer mag das schon!

„Das ist doch alles zu kopflastig. Mir genügt die Lust am Tango, das Vergnügen, die Freude!“

  • „Sei gegönnt!“ Doch ist Lust zumeist mit dem gleichen Quantum an Last, Unzufriedenheit und Frust aufs Engste verknüpft.

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(Quelle: Nemitz, R. (2015). Signifikant eines Mangels im Anderen, S(Ⱥ): das Fehlen eines Signifikanten, der die Wahrheit garantiert, https://lacan-entziffern.de/anderer/22236/)

Das Andere der Tanda

Die Tangoübung auf der Milonga: (s1)-(S1) zu (s2)-(S2) zu (s3)-(S3) ….

  • Er will, denkt, sucht, probt, versucht, demonstriert, zelebriert, posed, intendiert (s1) einen Schritt (S1).
  • Sie erahnt, erspürt, versteht, re-präsentiert diesen Schritt (s2) und beantwortet diesen mit ihrem Schritt (S2).
  • Sie erahnt, erspürt, versteht, re-präsentiert diesen Schritt (s3) und beantwortet diesen mit seinem Schritt (S2).

Und alles, selbst wenn es nicht bewusst gesteuert sein sollte – mit angestrebter oder erfolgreicher Regelkonformität!

  • Und dies nicht abwertend gemeint, durchaus schön und lustbetont.

Der argentinisch überfärbte Standardtango: (S1-s2) zu (s2-S2) zu (s3-S3) …..

  • Der erst Schritt ist die Botschaft
  • Die Botschaft ist der Schritt
  • Die Botschaft ist der Schritt

Sicher nicht mehr bewusst, gewiss automatisiert, durchaus perfektioniert und sicher ( zumeist schön anzusehen, für den Applaus, für die Bewertung gedacht – weltmeisterlich!

  • … und auch dies hat seinen Platz in. der Tangowelt.

Die Tanda: s1/S1 zu s2/S2 zu s3/S3 ….

  • Ein Schritt ist (/) Ausdruck (S1) eines Gefühls (s1)
  • Ein Gefühl (s2) findet (/) Ausdruck in einem Schritt (S2)

Ich (moi) spüre mich mit ihr/ihm (i(a)) – Intimität jenseits aller expressiven Lust – mit Begehren nach Tiefe, Weggleiten und weiterem Eintauchen – nach einem Jenseits der Lust, einem Auflösen des /.

  • Vielleicht mit Ernsthaftigkeit als Haltung zwischen Lust und Unlust
  • Vielleicht mit Sehnsucht als Suche nach Extimität, einem gehaltenen außer sich sein.
  • Vielleicht mit Melancholie als Schmerz und Trauer ob eines grundlegenden Verlustes, eines verlorenen Da-Seins, jenseits eines doch immer nur so-sein-Könnens

Und die Befriedigung (Jenseits des Lustprinzips) kommt hervor, je näher wir an „das Andere der Tanda“ gelangen.

Das Andere der Tanda: S1 zu S2 zu S3 …..

  • (s)ein Schritt ist ein Schritt
  • (ihr)ein Schritt ist ein Schritt

Ohne Begehren – und vermutlich/mut-maßlich – mit einem Ver-lust.

  • „Schön und gut, und wofür jetzt das alles, wofür der ganze Aufwand?“

Für all die, die diesen Zeilen etwas abgewinnen können!

Denn, alles Weitere macht keinen Sinn … denn sonst wäre es eben nicht „das Andere“ (Ⱥ)

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Das „Nein“ – der Milonga, der Tanda, der Abrazo

Von Zuhause bis zur Pista

  • Schuhe, die nicht zum Kleid passen (moi)
  • „Ah, die da drüben … nee, die lieber nicht!“(i(a))
  • „Sie schaut zu mir!“ Sie lächelt. „Sie nickt mir zu!“
    • „Und dann kommt sie auf mich zu … und geht an mir vorbei!“

Schritte – gewohnt, gewöhnlich – die verlernt, neu erlernt und vergessen werden (müssen) für eine gelingende Tanda.

  • „Bei mir ist es der große Zeh, auf den er tritt, wenn er es zu eilig hat!“
  • Alles entfällt – die Idee erlebt – der Körper kommt zur Geltung da der Geist schwindet.

Abrazo – Die Umarmung vor dem ersten Tanzschritt, während der Tanda und beim Abschied

Virginia Satir (1916 – 1988; Familientherapeutin) „Wir brauchen vier Umarmungen pro Tag zum Überleben. Acht Umarmungen pro Tag, um uns gut zu fühlen, und zwölf Umarmungen pro Tag, um innerlich zu wachsen.“

  • „Alle wollen hier in den Kontakt kommen und die Nähe der Tanda fühlen, doch gelingt es nicht wirklich, wird unterbrochen, immer wieder gestört, durch deine Gedanken oder einen (Schritt-) Fehler, oder einfach nur durch das nahende Ende der Tanda!“
  • „Nur in seiner Umarmung fühle ich mich wohl!“
  • „Nein – das hat nichts sexuelles an sich, zumindest nicht das Sexuelle!“
  • „Nicht alle sind im Gefühl und geniessen!“

Zuerst einmal: Bevor etwas abgelehnt werden kann, muss es zugelassen, angenommen werden.

  • Jeder Verneinung geht eine Bejahung voraus.

Bevor die Schuhe nicht zum Kleid passen, will ich, dass sie passen.

Bevor sie an mir vorbei ging, wollte ich, dass sie zu mir kommt (Was ja eigentlich mein Job gewesen wäre, das Zugehen – Was ich eigentlich ja weiß – Was ist jedoch nicht präsent hatte.)

Vor dem Tritt auf den Zeh war die Eile!

Bevor die Idee zum Leben kommt, muss etwas entfallen. (somit) Bevor etwas entfallen kann, muss es einfallen – mir eingefallen sein.

Und, zu den Formen eines Abrazo-Empfindens.

  • Alle wollen ihn – und alle bekommen ihn! Was aber schief geht ist Folgendes: „Da wir ihn haben wollen/können, kann er, sobald wir ihn haben, nur noch verloren gehen!
    • Ist einmal etwas bejaht, dann (erst) kann es auch verneint werden.
    • Wir bekommen das Wesentliche am Abrazo – die Nähe – nicht wirklich, oder nur für kurze Momente oder nur als einen Schimmer von Nähe, eine Idee davon, eine Phantasie – nur für die Zeit der Bejahung – unseres in der Lage des An-nehmen-Seins!
    • Alle sind davon bedroht, im Abrazo die Nähe zu vermissen/verlieren!
  • „Aber sie sagt doch, dass sie sich speziell in meiner Umarmung wohl fühlt – ich kann ihr dann doch das Gefühl der Nähe des Abrazo geben!“
    • Ganz sicher – Sie sagt, sie fühle sich Wohl, und er weiß, dass er ihr dieses Gefühl gibt! (bestenfalls – mag man glauben)
    • Und in diesem Sagen und Wissen gibt es Nähe,
      • sei es vor der Tanda („Ach, Arnim ist heute da, wie schön!“),
      • sei es während der Tanda („Wie weich ihre Bewegungen sind!“)
      • sei es nach der Tanda („Immer wieder gern, Mirna!).
    • Nähe als/in Folge von Sagen und Wissen – „Aber ich denke dabei doch gar nicht!“
      • „Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache!“ (Lacan)
      • „Ich denke, wo ich nicht bin, also bin ich, wo ich nicht denke!“ (Lacan)
      • Wie kann ich von Nähe sprechen, wenn ich im Moment der Nähe nicht gedacht habe – spreche ich dann nicht doch nur von dem, was ich während des in Nähe-Seins erfahren und gespeichert habe, und woran ich mich erinnere, und ruft dann mein darüber Sprechen wirklich das selbe Gefühl hervor, das ich hatte, als ich es hatte; sind diese nachträglichen Erinnerungen (nur) Spuren des real Erlebten – von dem als Solchen, als Ding an sich, ich gar nichts wissen kann – kann das Gleich das Selbe sein, oder das Ding die Sache -?
    • Es muss ein Etwas, Einen geben, der den Tango genießen kann, es muss ein Tango-Geniessen geben, es muss ein Geniessen im Tango geben – jenseits allen Denken, Wissen und Sprechen!
      • Eine primäre Bejahung – als eine (imaginäre) Erinnerung an eine Ur-Szene, in er der Wunsch als erfüllt dargestellt ist (Freud).
        • Hierzu gibt es auf youtube unzählige Videos, die diese bildhafte Vorstellung bestätigen, eine Vorstellung, die uns zur Milonga bringt, die uns an dem Tango festhalten lässt und die wir während der Tanda suchen, der wir uns in der Tanda womöglich annähern, und die, bei Übereinstimmung von Wunsch und Körper, mit Gefühlen von Nähe, Lust, Wohlsein einhergeht.
        • Diese bildhafte Vorstellung, ist eine ur-sprüngliche, eine lustbetonte, die gelebt werden will und uns antreibt, uns begehren macht, diese Lust zu leben – den Tango so zu geniessen, wie wir es uns vor-stellen – ein Phantasma.
      • Vielleicht gibt es auch im Tango einen Zustand, ein Annahmen, eine ursprüngliche Bejahung des wahrgenommenen Empfindens jenseits allen Wünschens – wer weiß das schon?
      • Es gibt einen Besonderen (zumindest in einem youtube Video), der den Tango lebt, der die Tanguera zum Träumen bringt – und wenn auch nur in unserer Vorstellung als Tanguero – oder mit dem die Tanguera Nähe, Wohlsein und Lust verbindet.
  • Ein Geniessen im Tango, das, sofern es wahrgenommen wird, betrachtet aber nicht benannt wird, ein wunschloses Geniessen, das vom Anderen kommt, aber nicht als Gegeben bewertet und nicht mit einer Gegengabe verbunden wird – Tangoschritte, die nicht(s)-sagend sind – losgelöst.
    • Durchaus mit körperlichen Gefühlen (eines Tanguer), aber nicht mit Sexualität (Tanguer-o/a) verbunden – nichts, das man austauschen könnte/wollte, auch wenn es aus den Schritten, Umarmungen, Haltungen, Figuren der Tanda kommt.
    • Sensationen, die, wenn sie erlebt und betrachtet werden, verstörend wirken – da sie nichts verlangen – und die viele umgehend eingeordnet wissen müssen – und sei es als Sexualität.
    • Ein Geniessen, da es außerhalb von Sprache und Wissen ist, im Körper wabert, wandert, Körperpartien heimsucht – eine Art imaginäres Geniessen.
    • Ein Geniessen, das mit der Zeit kanalisiert werden kann, autistisch zwar aber in Bahnen, nicht mehr so aufwühlend, ruhiger, stiller – auch eine Art imaginären Geniessens.
    • Es gibt ein Nicht-denken und Nicht-wissen im Tango, das sich nicht einordnen, nicht aus-tauschen, nicht schenken lässt.
  • Wenn du diese Nähe hast und wenn du sie verlierst, dann nur da du sie (bereits zuvor) suchst und begehrst, nur wiederzufinden meinst, was du glaubst, verloren zu haben – wer weiß es schon besser – wer hat schon dazu eine Alternative verfügbar, zum Begehren nach Nähe. Wenn du der/die eine bist, bei dem eine/r diese Nähe, das Wohl und die Lust hat/empfindet, dann macht dich das zu einem/r Besonderen – dein Ideal ist dir nahe, du glaubst/fühlst, dein Ziel sei erreicht und geniesst deine Besonderheit/das Besondere der Nähe (da du meinst, dich/diese Nähe wiedergefunden zu haben). Wenn du das alles nicht bist, deine Gefühle und deine Nähe nicht dein Besitz sind, du dich nicht als besonders tanzend ersinnst, dann können deine Gefühle aufkommen, dich verwirrt hinterlassen oder in geordneten Bahnen – kanalisiert – getanzt und gelebt werden, aber sie bleiben autistisch, gehen nicht durch den anderen, kommen nicht vom anderen – da es eben deine Gefühle sind.
    • Wenn du deine Empfindungen und Gefühle nicht besitzt, wenn die des Anderen dich nicht besonders machen, wenn sie von draußen – als fremd – erst zu dir kommen, bevor sie deine werden – aus dem Nichts – (dann kann ich nicht sagen wie das wäre, sorry)
    • Für nicht Alle ist es nicht besonders bei dem/r Anderen in dieser Nähe zu sein, bei dem/r sich diese Nähe einstellt („Ofen an – Ofen aus!“ meint Sabine aus „Nach dem Kreuz“).

Bejahung und Verneinung: Nehmen wir einmal an – so rein hypothetisch, aus Spaß – jemand sei mit Leib und Seele beim Tango, also mit seinem Leib und mit seiner Seele.

Dann ist er zuerst mit seinem Leib und dann mit seiner Seele dabei (denn wir sagen ja nicht, jemand sei mit Seele und Leib dabei).

Dann haben wir drei: a) den Jemand, b) den Leib und c) die Seele

  • Dieser Jemand ist der Tanguer, ein in Leib und Seele gespaltenes Subjekt
  • Dieses Subjekt hat zuerst einen Leib und dann eine Seele, ist gewissermaßen dazwischen eingeklemmt, als Barre (Sujet barré).
  • Der Leib begründet seine Existenz (sagen wir mal Natur) und die Seele seine Essenz (so etwas wie Kultur)
  • Zwischen Leib und Seele gibt es eine Verbindung, (sagen wir mal) ein und.

Der Leib kann nicht „Nein“ sagen!

  • Jeden Reiz, den er empfindet, empfindet er.
  • Jeden Empfindenszustand, den er hat, hat er.
  • Wenn er Hunger hat, dann hat er Hunger.
  • Wenn er einen Buckel hat, dann hat er einen Buckel.
  • Wenn er die Figur nicht tanzen kann, kann er sie nicht tanzen.

Der Leib entscheidet nach Lust und Un-Lust!

  • Alles was Lust erzeugt wird im Leib be/aufrechter-halten – Bejaht.
  • Alles was Unlust erzeugt wird aus dem Leib ausgespuckt, -getreten, -geschrien – eine Verweigerung der Bejahung, eine Ausstoßung.
  • Jeder Schritt, den der Leib nicht tanzen kann, erzeugt Unlust und wird vom Leib als Schritt (zunächst) verweigert.
  • Jeder Schritt, den der Leib nicht tanzen kann, erzeugt Unlust und wird (nun, er wird nicht ausgespuckt, ausgetreten, oder ausgeschrien), – mehr oder minder kultiviert – als Frage an den Anderen gerichtet (nach einer Hemmung der vielen Formen des „aus-„, einem Herausheben aus dem Leiblichen, einem Emporheben durch ein „Nein“ – für viele als durch ein „Du sollst nicht…“ erklärbar) .

Das Leib-Ich ist ein Lust-Unlust-Ich

  • Zu mir gehören alle Schritte, die meinem Körper Lust bereiten (Bejahung)
  • Nicht zu mir gehören alle Schritte, die meinem Körper Unlust bereiten (Verweigerung der Bejahung)
  • Und: Im unbekannten Universum der Tanda sind Schritte, von denen ich nicht einmal weiß, dass es sie gibt – eine Form von (Un-)Lust, von der ich keine Ahnung habe.

Bei Schritten, die ich kann und die mir Lust bringen, muss ich mich nicht (hilfesuchend) an den Anderen wenden.

Bei Schritten, die ich nicht kann und die mir Unlust beringen, muss mich der Andere auf die Idee bringen, wie ich sie doch (erlernen) kann.

Da ich von Beginn an nicht Tango tanzen kann – muss mein Tango-Können zu aller erst zum, durch und über den Anderen zu mir zurück gehen!

  • Eine Form der primären Kastration, die keiner mag, die alle schnell überwinden wollen, was aber in der Folge das Geniessen der Tanda unmöglich macht – „Das mag vielleicht ein Grund sein, warum viele Tangueros von einigen Tangueras bemitleidet werden!“
  • Und kann der Schritt nicht durch den Anderen gehen, so ist es keine Tanda.

Erst durch die Überwindung der Unlust mit Hilfe des Anderen komme ich zur Lust am Tango – und über den Anderen auch zu einer Lust am Tango mit dem Anderen.

Oder: Vor aller Freude kommt die Mühsal.

Oder: Nur die Mühsal bringt eine gemeinsam tanzbare Tanda zu mir.

Die Mühsal – „Nein“ zu meinem Körper zu sagen – und so, den Anderen in mich einzuschreiben; von mir abzusehen!

Die Seele entsteht aus einem „Nein“-Sagen!

Die Seele hat ihren Ausgangspunkt in der Überwindung der Bejahung und ihrer Verweigerung.

  • Das Lust-Unlust-(Attributions-)Urteil, die auf Ebene des Leiblichen getroffene Entscheidung über Schritte der Lust und Schritte der Unlust, erzeugt mit den Schritten einhergehende gute oder schlechte Vorstellungen (vielleicht so etwas wie Sachvorstellungen im Sinne Freuds).
    • Dem leiblichen Schritt als solchem ist es völlig gleichgültig ob er gekonnt oder nicht gekonnt, lust- oder unlustvoll ist (das vielleicht nie unmittelbar erfahrene Ding an sich).
    • Die mit der Lust-Unlust-Beurteilung verbundene Projektion (Ab-Bildung) des Schrittes erzeugt seine Re-präsentation im Seelischen, oder besser Präsentationen für das Seelische.
      • Dabei werden Vorstellungen der Lust gern und Vorstellung der Unlust ungern in das Seelische übernommen.
      • Zuweilen wird Unlust-Vorstellungen auch der Zugang ins Seelische verweigert.
      • In keinem Fall aber werden sie verworfen (von uns Neurotikern), wenn dann zurück-gedrängt, durch ein „Nein“.
  • Wenn nun aber nur die lustvollen Vorstellungen in das Seelische gelangen würden, dann würde kein Tango gelernt, keine Tanda getanzt, kein Fortschritt erzielt.
  • Wenn nun aber nur die unlustvollen Vorstellungen in das Seelische gelangen würden, dann würde kein Tango gelernt, keine Tanda getanzt werden, erst gar nicht mit Tango begonnen.
    • „Tango – ohje- das brauchst du erst gar nicht lernen, dass wirst du nie können!“
    • „Ich lass doch nicht fremde Kerle an meinen Körper – die wollen doch alle nur das Eine!“
    • „Hast du gesehen, wie die schwitzen – das muss doch ekelhaft sein?“
    • „Da sind nur Neurotiker … oder schlimmer!“
  • Das Ja-Nein-(Existenz-)Urteil, die auf Ebene des Seelischen getroffene Entscheidung über die Übereinstimmung von Lust-Unlust-Vorstellungen im Ich (aus dem Leiblichen kommend und mit ihm verbunden) mit Wahrnehmungen von außerhalb des Lust-Ich (die aus den Wahrnehmungen kommen, die wir uns von unserer Umwelt machen).
    • „Ja, was ich empfinde, das gibt es wirklich!“
    • „Nein, was ich empfinde, dafür gibt es keine Erklärung!“
    • Wir finden in der Milonga Szenen, Bilder, Tangofiguren, Umarmungen, Gesichtsausdrücke, Stimmungen, die in unserem Lust-Ich anklang finden oder Misstöne hervorrufen; Bilder in denen wir uns wiederfinden oder die nichts in uns auslösen, mit unserem Ideal-Ich übereinstimmen oder nicht (vielleicht so etwas wie Wortvorstellungen im Sinne Freuds).
  • Ein „Ja, so möchte ich auch mal Tanzen!“ hilft uns, die Unlust an den noch zu lernenden Schritten (die Verweigerung der Bejahung) zu überwinden.
    • Verneinung der Unlust: „Das ist doch viel zu schwer – egal, sieh nur, wie schön das aussieht!“
  • Ein „Nein, ich bin damit völlig unzufrieden!“ hilft uns, das Verharren bei unserem Können (die Bejahung) zu überwinden.
    • Verneinung der Lust: „Passt doch eigentlich, ich habe Spass und die Jungs stehen Schlangeaber die Könner meiden es, mit mir zu tanzen!“
  • Ein „Ich will auf keinen Fall mit ihr tanzen!“ deutet auf ein zugrundeliegenden Interesse, dem Bejahung abgesprochen wird – der Zugang in die Wahrnehmung der Lust ist gebarrt -.
    • Verneinung einer zugrundeliegenden Bejahung (Verdrängung): „Und warum starrst du sie dann die ganze Zeit über so an?“
  • „Ich muss es hinbekommen, dass er doch mit mir tanzen will!“ als Verneinung einer zugrundeliegenden Verweigerung der Bejahung (so jedenfalls meine Vermutung): „Ich glaube, ich bin zu alt für ihn und er hat auch kein Interesse an meinem Tanzstil, aber so zu denken hindert mich!“

Lust und Unlust werden in der Leib-Vorstellung von der Sache selbst stets als eine Form der Bejahung erlebt – Ja, die Sache selbst macht Lust; Ja, die Sache selbst mach Unlust! – und entweder wird an der Lust-Sache festgehalten oder die Unlust-Sache wird aus dem Leib ausgestossen.

Stimmt die leibliche Lust-Unlust-Erfahrung zudem, mit unserer Wahrnehmung unserer Umwelt überein, kann also die Lust-Unlust-Bejahung selbst bejaht werden, so ist alles Gut – nichts wird wirklich benötigt, wie erleben uns als Selbst und kein Anderer ist notwendig.

Das unterscheidet uns nicht wirklich vom instinkthaften Tier – eine Art primäre Narzissmus.

Erst mit einem „Nein“, einer Verneinung, können wir uns von der Lust-Unlust-Bejahung trennen. Erst wenn es zu einer Verbindung von Sach- und Wortvorstellung kommt, meint Freud, wird uns etwas bewußt – kommen wir in ein Bewusstsein unserer Selbst, beginnen wir zu denken – sind damit aber für immer auch von der Sache selbst getrennt.

Dieses „Nein“ ist nicht Sache des Imaginären, unserer bildhaften Vorstellung, unserer Verzückung beim Anblick schöner Tandas, unserer Lust an der Umarmung, den schönen Kleidern, unserer Freude an uns. Dieses „Nein“ ist gesprochen, eine Wortvorstellung, etwas, das wir hören, wenn wir in den Tangokursen Erklärungen, Tipps und Korrekturen bekommen, das wir uns sagen (innerer Monolog oder Dialog), bevor wir uns überwinden und denjenigen doch auffordernd anblicken, mit dem wir ein Tangobegehren verbinden, was wir uns eigentlich nicht eingestehen wollen – dieses „Nein“ ist Ursache unseres Nach-Denkens – sofern Denken als Problemlösung/Informationsverarbeitung verstanden wird.

  • Dieses „Nein“ ermöglicht es uns die Tanda zu lernen, zu perfektionieren, zu kultivieren, zu geniessen.
  • Dieses „Nein“ kommt vom Anderen, dem Tanzlehrer, dem Anderen in der Tanda, der Tango-Etikette, der Tango-Kultur.

Dieses „Nein“ geht jedem Tun voraus!

Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln; erstens durch Nachdenken, das ist das Edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist das Leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist das Bitterste. (Konfuzius, chinesischer Philosoph, 5. Jahrhundert v. Chr.)

Das „Nein“ des Anderen oder unseres eigenen „Nach-Denkens“ (als innere Stimme des Anderen) verbindet das Leibliche mit dem Seelischen oder das Imaginäre (unsere Vorstellung von der Sache) mit dem Symbolischen (unsere Bezeichnung dieser Sachvorstellung), wie Lacan es sagen würde.

  • „Nein, die lieber nicht!“
  • „Ach könnte ich nur so schön tanzen wie sie!“
  • „Diese Tanda mit dir war wunderschön!

Es macht aber auch „Loch im Realen“.

Wenn es sich gegen sich selbst richtet, wenn es nur halb gesagt werden kann, wenn das Be- der (Be-) Zeichnung ausgestrichen werden kann, wenn es endlich „die Fresse hält“, der innere Monolog anhält.

  • Dann wird die Sache selbst präsent, als Zeichen, das nicht für etwas steht (mit einem Be-).
  • Die Seele hört, ohne zu verstehen (= Seel-igkeit)
  • Das Geniessen wird möglich, da es nicht an etwas geheftet werden muss – sinnloses Geniessen.

„Juhu, wie schön ist das denn!“

(Quellen: Evans, D. (2002). Wörterbuch der Lacan´schen Psychoanalyse. Bejahung (S. 59), Verneinung (S. 333, 335). Wien: Turia & Kant; J. Lacan, J. (1975).  Das Drängen des Buchstabens im Unbewussten oder die Vernunft seit Freud. In: Ders.: Schriften. Band I. Vollständiger Text. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia und Kant, Wien 2016. Nemitz, R. (2010). „Das Unbewusste ist strukturiert wie eine Sprache.“ https://lacan-entziffern.de/unbewusstes/das-unbewusste-ist-strukturiert-wie-eine-sprache/. Nemitz, R. (2013-2016). Kategorie: Verneinung. https://lacan-entziffern.de/category/verneinung/; Freud, S. (1925), Verneinung. In: Imago. Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften XI 1925 Heft 3, https://archive.org/details/Imago.ZeitschriftFuumlrAnwendungDerPsychoanalyseAufDie_2/page/n1/mode/2up; Podcast: http://lacast.de/2017/06/18/la007-das-phantasma/; Lachst – Das Phantasma, Silveira, D.M.G. & Vorcaro, Â.M.R. (2016). FROM VERNEINUNG TO UNARY TRAIT. Ágora: Estudos em Teoria Psicanalítica19(3), 499-532. https://doi.org/10.1590/S1516-14982016003009; Urban, W.J. (2014). Sexuated Topology and the Suspension of Meaning; From the Aristotelian two the Lacanian Logical Square, ab Seite 165; https://yorkspace.library.yorku.ca/xmlui/bitstream/handle/10315/27706/Urban_William_J_2014_Phd.pdf?sequence=2&isAllowed=y; Young-Im Yang (2005). Das Phänomen der Verneinung: philosophisch, psychologisch und im Kulturvergleich untersucht. Königshausen & Neumann. Žižek, S. (1998). Das Unbehagen im Subjekt. Passagen Verlag, Wien. Nemitz, R. (2016). Sujet barré; https://lacan-entziffern.de/category/sujet-barre/; Georg, A. (2005). Die Verwerfung bei Freud und Lacan. Verneinung, S. 95ff, http://othes.univie.ac.at/32420/1/Die%20Verwerfung%20bei%20Freud%20und%20Lacan.pdf; Nemitz, R. (2013). Das Loch im Zentrum des Realen, https://lacan-entziffern.de/reales/das-loch-im-zentrum-des-realen/; Nemitz R. (2016). Das Genießen des Realen und das Reale des Genießens, https://lacan-entziffern.de/reales/das-geniessen-des-realen-und-das-reale-des-geniessens/)

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Das Fremde – der Tanda

»Das Fremde zeigt sich, indem es sich uns entzieht« (Waldenfels, 1990)

Zuerst einmal ist das Unbekannte, der Tango Argentino, die Milonga, das, von dem man, jemand, erst gar nichts weiß, das er daher weder hassen noch lieben kann, da es schlicht nicht da ist für einen.

Dann ist da die erste, Konfrontation, als Vorstellung, als Bild, mit allerlei Phantasien, doch letztlich als Verneinung oder Bejahung, für viele als Annäherung oder Abwendung gefühlt, für ebenso Viele phantastisch verklärt als alles, was die grundlegenden Begriffe der Lust und Unlust für einen so hergeben – und dieses Bild ist nichts als das, was man zu er-kennen glaubt.

Schließlich, für den, der aus seiner Passivität heraus geht und sich aktiv konfrontiert, ist da das Fremde als das Unbekannte, nicht eigen, zum Greifen nah und doch unbegreiflich – aber aneignenbar – heute sagt man – erlernbar (das Ich kann sich entsprechend preparieren).

Je mehr man Tango tanzen lernt, sich die Tanzschritte aneignet, wird auch das ursprünglich unbekannte und Fremdartige zum Eigenen,

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der unbekannte, fremde Schritt (S1) wird zu einem Wissen (S2) und parallel dazu entsteht dieser Tanuger, der sich als schrittgebender Tanguero (S1) und und schrittfolgende Tanguera (S2) zeigt, als der, der um ihre Schritte weiß (S1 – S2) und die, die seine Schritte kennt (S2 – S1), im ganzen Stolz, es zu können.

Das Fremde als unbekannt ist beherrscht – man ist wieder Herr/Frau in seinem eigen Haus, seinem Ego.

Doch ist es nur neutralisiert – und – es erscheint an anderer Stelle.

  • Als Stolperer, als Fehler, als Fehlleistung, als zu spät und zu früh der Schritte, Drehungen und Figuren, als Fehltritt (manchmal mit einem blutenden Zeh – „sorry dafür!“)

Und da ich eben nicht Herr über S2 bin und eben nicht S1 vorhersagen kann – bin ich gespalten ($) – weder Herr noch Herrin – lediglich ein Tanguer!

Mein Schritt setzt mich dem Anderen aus – ich bin ausgesetzt (und diese Pause – zwischen S1 zu S2 – kann unerträglich sein und begründet die hastige Tanda, und diese Pause kann zuträglich sein und begründet die Ausdehnung des Paso = Schritt, aber auch „Er ging vorbei“) – und dies „ausgesetzt“ nicht nur seiner, des Anderen Interpretation und Vorhersagens (von S1 u/o S2), sondern grundsätzlich ausgesetzt.

Vielleicht aber bin ich Herr über meinen Schritt (S1) und Sie Herrin über ihren (S1), und wir wissen voneinander (S2).

„Juhu, alles wieder gut!“

Wir Tanzen prima zusammen, wir wissen umeinander, kennen uns, wir schätzen uns, wir haben Spass.

Doch bleibt der Paso Paso, bliebt es „Anwendung des Gelernten“ dann ist der Paso = „An der Sache vorbei gehen!“

Und an der Entscheidung Standard oder Argentino trennt sich – aus Sicht des Tango Argentino – die Spreu vom Weizen – nicht jeder Tanguer macht den Sprung – nicht jeder wandelt sich – auch wenn Viele, die beim Tango Argentino verbleiben, den zum verwechseln ähnlichen Tango aber doch den Mimikry-Tango (S1-S2-S1) tanzen – semblance – so tun als ob.

Sich selbst ein Stück weit fremd werden.

Nicht nur hoffen, dass ich zwar weiß, dass mein Schritt (S1) mein Schritt ist, der, den ich weder verursache, nicht vorausplane oder gar völlig kontrollierte – der für und stückweise auch im/das Feld des Anderen ist. Nicht nur hoffen, sondern sich als dem Anderen mit-angehörig/aus-gesetzt erleben – mehr sich teilen als sich mitteilen, mehr Kommunion (lat. communio = Gemeinschaft; bitte ohne den sich selbstermächtigenden, religiösen Überbau zu verstehen) als Kommunikation.

Doch droht bei der Kommunion, anders als der Kommunikation, der Schritt (S1) zu entgleiten, die Herrschaft schwindet, das Subjekt als Ich (S) wird durch-, ausgestrichen ($).

  • Und bitte, wer darauf achtet: „Das kann kann man spüren!“

Die Selbstbeherrschung geht verloren, das Stolpern und Stampfen um den Anderen herum wird zum verstörten Tanguer, und eine neue Haltung ist noch nicht vor-handen (besser zu-füssen gelegt).

  • Dann lieber zurück zum Bekannten, zum Standard, zur Lust am Können und Wissen – zum sicher in der gesellschaftlichen Tellermitte – „save again!“

Oder weiter?!

Wie viele Jahre war nicht bekannt, wo sich das Eigene befindet, der Fuß platziert ist, rechts, links, vor, hinter, zwischen ihren?

Wie unbekannt war ihre Position als Kopf, als Brust, als Hüfte, als Oberschenkel, als Knie, als Fuß – als Körper?

Wie haltlos wurde getanzt – wo war die Haltung?

Was bietet das Feld der communio, wenn es nicht die Technik der Kommunikation ist, des ich (S) weiß das und was ich dem Anderen (A) sende (S1-S2), und ich weiß, das und was ich (S) vom Anderen (A) empfange und was ich (S) als Antwort sende.

Die, die es dabei belassen (können – auch eine Gabe! -), die gehen am Wochenende zum Tango-Kränzchen, geniessen den Kuchen, haben schöne Tänze, verbleiben unaufgeregt, echauffieren sich gelegentlich ob den Anderen, die die Tanda zu eng, zu intim, zu distanziert, zu aufgeregt, zu schnell, zu unscheinbar, zu betont, zu melancholisch … gehen.

  • … ahnungslos eben!

Dennoch – umgekehrt -, nicht die Communion steht am Rand der Kommunikation, die Kommunikation bemächtigt sich ihrer, um das Fremde zu tilgen!

Die Gemeinschaft der sich selbst Entfremdeten – auf dem Weg zum mangel-haftig(en) Sein – zum radikal Fremden – zum Ding der Tanda

  • Tango-Oblativo

Ein Schritt weiter ist die Möglichkeit, die Tanda oblativ – selbstlos – zu begehen.

Ein „Ganz beim Anderen sein“, eine Art Tango-Obsession als Tango-Altruismus bis hin zur Tango-Oblation – Selbstaufgabe, Selbstaufopferung – eben (noch) nicht als Hingabe – verklärt, als „sich jemand Anderem schenken“ – letztlich ein Art Tauschgeschäft (Lévi-Strauss), jedoch ohne, dass Etwas (zurück) gegeben wird, ein Kuhhandel, nur ohne Kühe, und man geht, beide gehen leer aus ($ zu ? zu … ).

Und an der Stelle, wo Nicht(s) ist, ist eben etwas Fremdes – „Ein Nichts“, und dass zeigt sich,

  • als (?) oder (…),
  • als aufbitzende Angst – eine Phobie, zur Milonga zu gehen, mit diesem Tanguer zu tanzen, diese Tanguera anzublicken, aufzufordern, diesen? oder doch besser diesen? Schritt zu gehen – eben daher, da „Alles beim Anderen ist“ – und ich kann nicht wissen, was er will, bin ihm ausgesetzt,
  • als Stolperer, Übertritt, momentaner Orientierungsverlust oder hyperaktive Kompensation des Mangels, eben daher, da „nichts zurück kommt“, vielleicht Gegebenes nicht ankommt, oder gar, anzukommen droht,
  • als Wunsch zu flüchten, die Tanda möge endlich enden, sich zu Boden schämen, die Milonga fluchtartig verlassen (wollen), eben daher, da der Ort (S1-S2) sich entleert, etwas sich zu entziehen beginnt.

Und dennoch, gerade daher – Respekt!

  • Tango-Sensico

Einen Schritt weiter oder nebendran ist auch eine Tango-Obsession; die Art, den Tango sensitiv – einfühlsam, feinfühlig, behutsam – zu tanzen.

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Ein „Sich ganz zurück nehmen“, ein bei dem Sein, was der Andere gerade in diesem Moment benötigt, sich gebend seine Not so lindernd, dass es sich (für manche) „besser als Sex“ anfühlt, ein „es jemandem geben“ – zu Diensten sein, Knecht – letztlich den Genuss daraus ziehen, dass man dem Anderen sein Geniessen bereitet, ermöglicht, den Anderen darüber aber als seine/n „Herr*in“ besitzt, sich durch sein Ihn/Sie bedienen vervollständigt, s/einen „Mangel an Sein“ ausgleicht ($ zu ! zu S)

Und an der Stelle wo „Nichts mangelt“, ist eben etwas Fremdes – ein „Nicht-Mangel“, und der zeigt sich

  • als dieser S1,
  • als der genau richtiger Schritt zur genau richtigen Zeit am genau richtigen Ort, doch nicht als eingeübter Standard, nicht zum Zwecke einer schönen Figur, sondern einem „nur für Dich!“
  • als die zärtlichst würdigende Berührung in der Umarmung,
  • als „schön, dass du mich wieder zur Tanda aufforderst“ (als ihr Bitten eines passiv abwartenden Tanguero).

Und auch hier, Respekt vor einem Können, das als Würdigung des Anderen geäußert wird, selbst wenn es gedacht ist, um geschätzt/vollständig zu werden.

Wenn der signifikante Schritt aus der communio fällt.

Gleichgültig, ob ich den Schritt nicht habe (…) oder (S?), oder ihn habe (S1), ich stehe in einem Verhältnis zur Tanda, einem getrennten Verhältnis. Der Schritt, die Figur, die Haltung, sind nicht gelernt, automatisiert und dann perfektioniert, sie sind gelernt, automatisiert und dann entzogen, im Feld des Anderen, unter seiner Ägide, bestenfalls fallen- und losgelassen – eben argentino (glänzend, wie Silber schimmernd) – bestenfalls einen Schimmer hinterlassend – den Schimmer von S1.

Ein Schimmer, wegen dessen man die Tanda begeht.

  • So wie ich mich besorgt zeige ob des Schrittes (S?), der mir zu entgleiten droht (…), oder ob meines Schrittes (S1), der gänzlich beim Anderen, in seinem Feld sein soll,
  • so akzeptiere ich, dass mir mein Schritt nicht gehört, dass ich ebenso auch kein Recht auf den Schritt des Anderen, kein vorausgehendes Wissen um die rechte Antwort (S2) habe,
  • so ist er nicht länger ein Geschenk, dessen Verpackung und Wert mir immer selbst bewußt bleibt, bei aller Gabe,
  • so wird der Schritt, die Haltung, die Figur eine Ab-Sonderung, eine Entfremdung,
  • so bleibt uns, was abfällt, was noch schimmert, nachträglich zwar, aber noch unmittelbar mit dem Schritt tangiert – sein Schimmer(n).

Wenn der Schritt (S1) kein Garant mehr ist, wenn er herausfällt und dann fehlt oder mangelt,

dann erst merke ich, dass ich nicht nur kein Besitzer, Könner, Prestigeträchtiger bin (S), sondern gespalten, getrennt von all diesen Bildern meiner Selbst $, und dann spüre ich, dass ich dem Anderen im Grund kein Wissen (S2) unterstellen kann, dass der Andere (Ⱥ) prinzipiell unkontrollierbar (das Ich kann ihn nicht auf etwas reduzieren), unwissend (das Ich kann über ihn nichts wissen) und frei ist (das Ich kann nicht vorhersagen, wird stets überrascht).

Denn dann muss ich erkennen, außerhalb meiner Vorstellungen, Phantasien und Bilder (imaginär) gibt es kein Verhältnis zum Anderen, letztlich als anderes Geschlecht.

  • und das ist nicht auszuhalten!

Das Argentino am Tango ist nicht der Schritt der Tanda als Schritt, der Paso geht am Paso vorbei wenn der Paso als „der Paso“ an-gesehen wird! Das argentino am Paso, glänzend, wie Silber schimmernd, ist eine Hinterlassenschaft „des Paso“, der Schimmer von S1.

Und er schimmert und schillert in aller Buntheit, in alles, was wir aus ihm machen und ist doch stets und immer der selbe Schimmer – ohne Gleichen!

Das (a) ist das Fremde, das sich zeigt, indem – besser – so lange wir es nicht ergreifen, festhalten, begreifen, da es sich nur dann zeigt, wenn es sich unseren gedanklichen Mühen entzieht, wenn wir uns als davon ergriffen erleben, da die Tanda gelingt, ohne das wir etwas dafür können, ohne uns als „Herr der Lage“ zu fühlen, als Ego (S oder A), als ein Ich oder Du, dass mit s-einem Ideal deckungsgleich wäre.

  • Und die Reaktion ist Befremden, Unheimeligkeit, Angst.

Da der Schimmer des Tango Argentino sich nur hergibt, wenn wir nicht an ihm kleben, ihn halten und bewahren, ihn ergreifen wollen – nur, wenn wir zu wollen und zu verstehen aufhören.

Und doch, wenn der Schritt uns entgleitet ($1), dann tun wir alles um ihn uns zurück zu holen und erleben dieses befremdliche sich Entziehen, dieses sich von uns selbst absondern, entfremden, als ein (- besser – über ein, oder vermittels eines) nicht loslassen Können, eines einholen Wollen, den Anderen als Ursache verschwinden lassen Wollen, eines Zurückfallen in Kontrolle, Bewerten des Anderen und die anderen vielen Zwänge mehr.

Die Tango Passion ist eben auch eine Obsession und

  • wir Abhängigen geraten nur selten unter Entzug von unserem Wollen und Streben den Schimmer zu halten und ganz in ihm zu sein („sorry, but that seems to be true!“),
  • wir Tango-Abhängigen sind melancholisch nach diesem Schimmer, nach einer tiefliegenden Aufhebung unseres Interesses an der Aussenwelt (incl. S1-S2), das uns uns selbst bewusst macht,
  • wir Obsessiven erleben eine Sucht, ein Suchen, ein Besetztsein, ein durch die Tanda in Anspruch genommen sein, da uns so dieser Argentino-Schimmer ergreifen kann und in uns schimmert.
  • wie Obsessiven suchen – leider – uns auf Kosten des Anderen zu vervollständigen oder den Anderen für unsere Kosten zu vervollständigen, da wir nicht anders können als uns oder den Anderen für die Ursache dieses Schimmers zu halten – wir vermögen es nicht besser – wir neiden phantasmatisch – wir neiden dem Anderen das, was wir ihm zuvor unterstellen!

Wenn der signifikante Schritt aus der communio fällt, dann verbleibt sein Schimmer!

Doch droht er, der befremdliche Schimmer, aufzutauchen – und bei den glücklich Abhängigen passiert genau dieses zuweilen – dann versetzt es uns in Angst und Schrecken und wir jagen ihm nach, versuchen ihm zu fassen zu bekommen, nur um ihn so zum Verschwinden zum bringen.

  • Solo-Obsession

Wie Viele haben die grundlegende Phantasie ($ – a) – jenseits der gelernten, und bewusst getanzten Schritte (S1-S2) eines Tango-Sensico -, sie würden den Schimmer (a) dann erhalten, vollständig haben, geniessen (S), wenn sie es nur dem Anderen recht machen, sich den Schimmer holen, ignorieren, dass er nur über den Anderen zu erlangen ist, den anderen mortifizieren (X), ihn so klar und eindeutig betanzen, dass dieser stets korrekt antwortet, seine Eigenheiten, Vorlieben, Schwächen und Stärken dabei berücksichtigend, selbst diese im Griff haben – wie toll das aussieht, wie gut sich das anfühlt, wie schön das Empfinden, solange einer von beiden nicht spürt, dass Eine/r im Grunde benutzt und Eine/r im Grunde benutzt wird –

„Der Typ fordert mich nie wieder auf, bei dem ersticke ich!“

„Mit ihr kannst du nicht tanzen, sie zeigt dir in Allem, dass sie es besser weiß!

„Eigentlich ist es immer eine schöne Tanda, doch hab ich das Gefühl, dass er irgendwie nicht dabei ist!“

„Er ist mir immer ein Stück zu sehr bei sich, es fehlt ein wirklicher Kontakt!“

„Mir ist es wichtig, den Tango richtig zu geniessen!“

Wehe die Fassade bricht zusammen!

  • Altro-Obsession

Die andere Hälfte ist im Grunde überzeugt ($ – a) – dass jenseits von S1 zu S2, jenseits des Tango-oblativo, dem Anderes etwas fehlt (A/), und wenn erst Sie ihm diesen Schimmer (a) verleiht, mit Eleganz, Grazie, Anmut und Schönheit der Schritte, Haltungen und Figuren, sie diesen Anderen vervollständigen (A) könnten, könnte sie den Schimmer auch selbst vollständig genießen (S). Und so streicht Sie sich aus der Gleichung (S/), verschwindet unter seiner, ihm verliehenen Führung, Angepasst bis zur Unkenntlichkeit (X). Doch vermutet Sie sein Geniessen, so verspürt sie auch, es selbst nicht zu haben, neidet es ihm vielleicht, und verweist ihn, verweist ihn auf etwas anderes, immer und immer wieder etwas anderes – immer hoffend, hinter dem nächsten Schritt das eigene, vervollständigte Geniessen (S) zu finden.

„Er tanzt so toll!“

„Ich wünschte, die Tanda mit Ihm würde nie enden !“

„Es ist so schön zu sehen, dass es ihm gefällt, mit mir zu tanzen!“

„Ich mag es, ihn gut aussehen zu lassen!“

„Ich fühle mich gut dabei, ihm ein Gutes Gefühl machen zu können!“

Diese abenteuerlichen Phantasien sind in den Köpfen, und sind sie nicht in den Köpfen, dann sind sie nirgendwo!

  • Und da in einer Tanda die eine Hälfte den Anderen aus seiner Gleichung streicht, und da die andere Hälfte sich zum verschwinden bringt, sich ausstreicht, sind beide bedient – können nach der passenden Hälfte der Kugel suchen und brauchen sie/sich nicht fürchten, da sie sie so nicht werden finden können
  • und sie können ihr Begehren behalten, ein Begehren nach dem Begehren des Anderen,
  • und sie können das Geniessen begehren, ohne Angst davor zu haben, dass dieses Begehren, sobald es geniesst verschwunden ist – Angst vor acephalem Geniessen – vor „im Tango sein“.

„Dort, wo uns der Andere fehlt, erscheint s/ein Mangel, als das Fremde, als Angst, vor dem, etwas nicht aufzufüllen!“

Frei nach Ovid und Bruno:

  • Als Diana bemerkt, dass Aktaion sie – zufällig, absichtslos – in ihrer Blöse/Schönheit erblickt,
    • sendet sie ihm ihre Pfeile.
  • Als Aktaion, von diesen getroffen, zu dem wird, was er stets zu erjagen und erkennen suchte – den ge-trieb-enen Hirschen,
    • fällt er vom hohen Ross und verwandelt sich zu diesem.
  • Als Aktaions eigenen Hunde, seine willensstarken Blut- und klugen Windhunde, die Kraft ihres Besetzers, diesen als trieb-behaftet erkennen, als den Hirschen selbst,
    • wird er von seinem Willen und Intellekt heimgesucht und vertilgt.
  • Als Diana, nach Aktaions Fall vom Ross, erkennt, nicht in ihrer Blöse, sondern ihrer Schönheit erblickt worden zu sein
    • fallen ihr Pfeil und Bogen, entgleiten ihrer Hand, und lassen sie – ihm gegenüber – ohn-mächtig zurück.
  • Als sich sein erlegter Trieb und ihre Ohnmacht treffen
    • schimmert etwas durch und schafft diese communio,
      • die sich um den Schimmer dreht, ohne nach ihm zu greifen – die Tanda!

Und!

„Wenn es nicht wahr ist, ist es doch gut erfunden.“ (Giordanon Bruno)

Und!

„(Erst) Wenn es erfunden werden kann, kann es auch wahr werden!“

(Quellen: Waldenfels, B. (1990). Der Stachel des Fremden. Frankfurt am Main: Suhrkamp; Claude Lévi-Strauss: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft (1949). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, S. 268. Nemitz, R (2914). Es gibt kein sexuelles Verhältnis, https://lacan-entziffern.de/reales/es-gibt-kein-sexuelles-verhaeltnis/; Giordano Bruno (1989). Von den heroischen Leidenschaften. Felix Meiner Verlag, Hamburg; W. Beierwaltes: Actaeon – Zu einem mythologischen Symbol Giordano Brunos. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. 32, 1978, S. 345–354.; )

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Das Unheimliche – der Tanda

Abrazo – Die Umarmung vor dem ersten Tanzschritt, während der Tanda und beim Abschied – heimelig – heimlich – unheimlich

„Ich will nur noch die zweite Tanda, diese Schritte in der unheimlichen Umarmung!“ G……

  • sehr gern, doch ist dies nicht herstellbar, es stellt sich ein – lass es uns wieder und wieder ersuchen.

Der heimliche Abrazo

Der Tango hat unten die signifikanten Schritte, im Paso – als Träger einer Ästhetik, die sich oben abspielt, im Abrazo.

Die „aisthesis“ als sinnlich vermittelte Wahrnehmung – Sie ist nicht die erste Abrazo, die eine sinnliche Wahrnehmung ist, sie ist die zweite Abrazo, in der die Sinne eine Wahrnehmung erst vermitteln, eine Wahrnehmung, die nicht in den Sinnen ist, sondern sich erst aus einem Sinn, sinnlich vermittelt, ergibt.

Eine ästhetische Abrazo stellt sich ein, auf dem Weg von der Sinneswahrnehmung hin zu einem gebildeten Werk der Umarmung, einem Kunstwerk, einem künstlichen Werk – einem Kunstobjekt, das beide Tanguer rezeptieren, passiv an- und aufnehmen, sich in ihrer Umarmung wiedererkennend – sich darin „familiär“ werdend (zu zweit, zu mehreren, zur Tangogemeinschaft).

Die Ästhetik des Abrazo, noch so oft erklärt, beschreiben und in Tangokursen korrigiert, bleibt in der Sinnlichkeit verankert, geht von den Sinnen aus und kehrt zu diesen zurück, bleibt eine Coenästhesie, ein Leibgefühl zwischen Empfinden und Wahrnehmung, eine Synästhesie, zusammengesetzt aus vielfältigen gleichzeitigen Empfindungen, Wahrnehmungen, die sobald verschwinden, versucht ein Tanguer diese zu fassen, zu einer Wahrnehmung zu fixieren, daraus ein spezifisches Begehren zu machen, zu er-fassen, was er/sie fühlt.

Bleibt die Aufmerksamkeit ungeteilt, frei schwebend, und kümmert sich nicht um all die Assoziationen, können die Sinne zusammenkommen, auseinanderfallen und sich erneut kalleidoskopartig umbilden, eine Aufmerksamkeit als Leiblichkeit, als Gefühl des Leibes, im Leib – vor jeder Be-/Nach-zeichnung.

Ein Abrazo, nicht der heimelige, in dem man sich bereits vor der Umarmung schon wohl fühlt – heimelig, da bekannt, eindeutig, stereotyp – ein heimlicher Abrazo, in dem die Sinnlichkeit des Leibes primär ist, ein Leibapriori, ein Leibgefühl als erste, zentrale, bewusstseinsfähige Dimension der Erfahrung – heimlich, da es ein „zu Hause“ ist, im eigenen Heim beider Tanguer in ihrer Umarmung.

Hand, Arm, Schulter, aufrechte Haltung, Kontakt der Brust, Berührung an Stirn, Wange, Ohr, Brust, Rippe, Bauch, Ellbogen, Handinnenfläche, Geruch, Atem, Schweiß und …. Haut!

  • Nicht allein als Körper empfunden und erlebt, auch als leib-haftige Präsenz der Körper wahrgenommen und wahrerfahren – eine Kreation – wahr-haftig.

Der heimliche Tango, in heimlicher Umarmung, für alle sichtbar und doch intim – intim in der Heimlichkeit des Abrazo: Zweck an sich

  • frei von der Bindung an den Paso, die Musik, die Darstellung, den Blick der Anderen
  • frei von der Intention, dem Wollen und getriebenen Begehren, dem Be-eindrucken
  • frei von einer Er-fassung, Ein-fassung, Auf-fassung in Erregung, in Worte, in Bilder, in Zukunft, in Verpflichtung, in ein So-sein

Selbst-genügsam:

  • genügsam gegenüber den Empfindungen, Regungen, Wahrnehmungen des Körpers
  • ausgesetzt dem frei schwebenden Wandern der Leibempfindungen
  • nachgespürt dem fading dieser Regung, dem Erscheinen jener, ihres wanderns als wandern

Wahrnehmung der Wahrnehmung:

  • erkennen des Erkennens was im Leib geschieht – im Leib-Abrazo
  • Erkennen ohne Benennen
  • wahr-an-nehmen, durchfließen und vergehen

Die Heimlichkeit ist im Leib-Abrazo beider Tanguer.

  • Heimelig sind sich Tanguera und Tanguero, in vertrauter Konvention.

Heimlichkeit ist Folge einer gemeinsam geteilten Wirklichkeit, die erst entsteht, nicht einfach so bereits gegeben ist, Effekt eine Kreation.

  • Heimlich werden sich Tanguer durch gemeinsame Kreation.

Heimelig und heimlich: Ein Unterschied, der fein, graduell und kaum zu benennen ist.

Ist der Abrazo einmal gelernt, als die beim Tango einzunehmende Haltung, die das Ziel verfolgt, die Tanzschritte, Figuren und Verzierungen ästhetisch zu gestalten und zu begleiten, so wird mit zunehmender Präzision (Präparation des moi) eine gemeinsam Orientierung und eine Selbstvergessenheit möglich – Lust ist zunehmend garantiert.

Ist dieser heimelige Abrazo einmal lebbar, kann die ästhetische, somit sinnlich vermittelte Wahrnehmung selbst zur ästhetischen Wahrnehmung – nicht gemacht werden, sondern eher emporsteigen – ein passives Geschehen, dem es sich nur hinzugeben, auszusetzen gilt, das womöglich dieser Hingabe und Aussetzung identisch ist – eine sinnliche Wahrnehmung der sinnlichen Wahrnehmungen, ein Leib-Empfinden der Körper-Empfindungen – heimelig wird heimlich.

Dieser heimliche Abrazo ist ohne Raum und Zeit – jenseits von Raum und Zeit.

Heimlichkeit ist Verlust – Verlust des objektiven Körpers, des Paso und seiner Bewegungen in Raum und Zeit, des Wissens, wer, wo und was man ist.

Ein Abrazo in heimlicher Ästhetik ist eher im „Modus des Verweilen“ (Seel, 1996), „Sensibilität des Augenblicks“ (Mersch, 2001), „Gegenwartsmoment“ (Stern, 2004).

  • „Verweile ach, du bist so schön“ (Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)

Dieser Abrazo stellt sich plötzlich ein, ist isoliert vom Geschehen „Insel der Glückseligkeit“, eine Epiphanie, eine plötzlich, unerwartet auftretende Erkenntnis, eine Offenbarung, bei der Raum und Zeit außer Kraft gesetzt sind.

„Was für eine Übertreibung ist das denn!“ magst Du jetzt denken. (Sprechen wir uns wieder, wenn Du es erfahren hast)

Versuchen wir es zu präzisieren!

Für die ästhetische Wahrnehmung, die Leiberfahrung mögen die vielen Sinne- oder Körperempfindungen Zeichen sein, Zeichen von etwas, von irgendwelchen Dingen, die vor sich gehen.

  • Zeichen, die einem die Dingwelt vor-stellen (etwa Sachvorstzellungen im freudschen Sinne)
    • Nicht die Dingwelt selbst, da diese nur über Sinneswahrnehmungen zu uns gelangen können.

Der Abrazo ist Zeichen einer Wirklichkeit – der Berührung dieser Tanguera, des Händedrucks dieses Tanguero.

Der Abrazo ist zugleich aber auch Wirklichkeit für sich – ein „leibhaftiger Abrazo“

  • Der Leib-Abrazo ist kreiertes Zeichen an und für sich – eine zärtliche Berührung, eine haltende Hand.

Eine Leiberfahrung, die durch dieses Zeichen zweiter Ordnung erst zu etwas wird, zu einem Konstrukt, einer Konstruktion, die ebenso leibhaftig erfahren werden kann, in der sinnlichen Wahrnehmung der sinnlichen Wahrnehmung, in der Leiberfahrung der Körpererfahrungen.

Der Sachvorstellung wir ein Wortbild gegeben, ohne Sinn und Verstand, ohne Wortassoziationen, ohne Bedeutung – der Zugang zur Wortvorstellungen (im Sinne Freuds) wird verwehrt.

  • Dem Signifikanten wird das Signifikat entzogen – um in Anlehnung an Lacan zu sprechen.
  • Der ästhetische Tango geht von Paso zu Paso
  • Die ästhetische Umarmung geht von empfinden zu empfinden zu empfinden zu empfinden
  • Das Wort wird gegeben und bedeutet (zärtlich, haltend), ohne das Gewirr assoziativer Wortverbindungen zu evozieren.

Die „leibliche Präsenz“ ist da (draußen, da von mir passiv wahrgenommen), mit Zeichen versehen doch ohne Bezug zur bedeutsamen Benennung, sie spricht nicht, sondern zeigt sich, sie hat nichts zu sagen nur zu zeigen, zu bezeichnen, nicht zu bedeuten, sondern nur auf etwas hin zu deuten – zu be-deuten im Sinne von zeigen, hinweisen – eine Spur legen.

  • Der heimliche Abrazo ist Präsenz statt Repräsenz

(Und – erst – wenn wir es erfinden können, dann – erst – kann es auch wahr werden!)

Kreation ist Verfremdung – ein heimlicher Abrazo kann nur durch Verfremdung entstehen.

  • eine Verfremdung, die Differenz auflöst
  • eine Verfremdung, die die Differenz zwischen Tanguera und Tanguer, Mann und Frau, Führen und Geführt werden aufhebt
  • eine Verfremdung, die einem Sinn (einer sinnlichen Erfahrung) Sinn verleiht, sinn stiftet, ohne diesen zugleich in Bekanntes einzuordnen – die eine Berührung einfach nur zu einer zärtlichen macht und gut ist.

Der heimliche Abrazo bedarf einer Umstrukturierung des Wahrnehmen und Denkens

  • eine Auflösung des Heimeligen, Bekannten, Konventionellen, Rituellen im Tango
  • einer Bezeichnung ohne Einordnung in einen Bedeutungszusammenhang (Signifikant ohne Signifikat)

Diese Auflösung ist irritierend, beängstigend, verstörend, un-heimlich!

  • eine Um-kehrung eingeschliffener Muster,
  • eine Störung der Re-präsentation, einer Umstülpung von Innen nach Außen gleich.
  • ein Abschied von der Lust, dem Wiedererkennen und dem Bekannten

Es ist ein Bad „Hinter dem Kreuz“,

  • welches nicht dem Muster des Hungers folgt – nie zu sättigen -,
  • welches nicht Atem ist – nicht anzuhalten, zwischen Atemzug und Atemzug
  • welches Herzblut ist – ein Fließen ohne Macht

Es ist das Ende der Hetzjagd von Actaeon – die Blut- und Windhunde hören auf zu suchen!

Die ästhetische Abrazo ist Übereinstimmung – Einstimmung – Stimmung – Korrespondenz zwischen zwei Gefühlen – ihrer und seiner – eines Leibes – Indikator beider Leibhaftigkeit – ein Leib zwei Körper.

  • und der grazilste Paso kann diesem Gefühl nicht gleichgültiger sein.

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Der un-heimliche Abrazoein „Leib-Abrazo

Vielleicht ist das Unheimliche am Abrazo nur ein Übergang vom Heimeligen zum Heimlichen, von dem Konventionellen der Milonguera/os zum Intimen beider Tanguer.

Vielleicht aber auch ein flüchtiger oder ein mehr oder minder andauernder Zustand, ein „Un“ am „Heimlichen“, ein Aufschimmern und Glänzen (argentino = wie Silber schimmernd/glänzend, an Silber erinnernd), eine Öffnung, ein „Loch im Realen“ (Lacan), vielleicht, hin zum „Sitz des Unbewussten im Fleisch“ (Winter, 2014).

Nun, da wir darüber nicht reden können, denn – schwupp – sind wir im Symbolischen, aber auch nicht schweigen können – wie es Wittgenstein empfehlen würde -, würde es sich empfehlen, dies im Imaginären zu belassen, was einer weiblichen, besser femininen Tanguer gelingen kann, einem maskulinen dagegen schwerer (daher übernimmt er auch die Relaisfunktion als Schrittgeber).

Daher verbleibt das Un-heimliche in einer Zwischenzone, unbestimmt, phantastisch, fiktional und ununterscheidbar (Howe, 2011) – und, wiederkehrend beängstigend (Freud, 1919) – zwischen unbewusst und heimelig.

Im Übergang zur oder auch in der unheimlichen Umarmung könnte eine un-intentionale, un-beabsichtigte, ohn-mächtige Wiederholung in uns (beiden) aufkommen, die eine reale Emotion eröffnet, un-spezifisch, un-sinnlich, eher leiblich, weder sinnlich noch sprachlich spezifiziert, „Gefangen in Sprachlosigkeit“ (mal positiv betrachtet) – der Wiederholung dieses Gefühls anhaftend.

Und da wir es nicht fassen können – haben wir un-heimliche Angst.

  • Da es, dieses „Un“, nicht in Kategorien der Lust-Unlust erfasst werden kann, sich dieser Kategorisierung entzieht, haben wir ein Objekt der Angst, das wir nicht kennen, eine „Angst, die nicht ohne Objekt ist“ (Lacan, 2010).

Natürlich ist dieses „Un-heimliche“ der Abrazo auch „heimelig“, bekannt, gesucht, begehrt, lustversprechend, sehr anziehend, da dies Heimelige auch vor Angst schützt.

  • Und hierhin mag sich retten wer will!

Dies „Un-heimlich“, dieser „Leib-Abrazo“, hat aber auch das unkontrollierbare Moment der Wiederholung, eines Wiederholen, wieder-hervor-holen, Wiederkehren von Etwas.

  • Und dies Etwas mag der sich rettende Tanguer abwehren, vermeiden, hemmen – und weiß zumeist gar nichts davon.
    • Ein Tanguer macht eine „Fehlleistung„, im Paso, im Blick ins Publikum, im betont expressiven Ausdruck von Mimik, Gestik und Stil, im Gedankenblitz an die unverschlossene Haustür, an den kommenden Arbeitstag, an seine/n Partner:in, und was sie jetzt wohl denken möge.
    • Ein Tanguer mag sich auch in ein Gefühl des Begehrens, der Zuneigung, der Liebe zur/m Tanguer retten, was auch einen sicheren Hafen bedeutet – und natürlich auch retten durch alle Gefühle der Unlust beim Tango.

Das „Un-heimliche“ soll „diejenige Form der Angst (sein), die sich auf die Rückkehr eines bekannten, aber in irgendeinem Sinne deplatzierten, dabei nicht notwendig verdrängten Affekt richtet. Die Quelle des unheimlichen Gefühls ist das Moment der (nicht beabsichtigten) Wiederholung des Gleichartigen“ (Howe, 2011, S. 48).

  • Eine (Trieb-)Quelle, deren Drang es nicht ist, ein x-beliebiges Objekt hin auf ein (Trieb-)Ziel zu drängen.
    • Aber eben auch keine Verschiebung oder Verdichtung.
  • Sinnliche Wahrnehmungen, die ins Leibliche gehoben, dort verweilen.
    • Was dieses besondere ästhetische Gefühl ausmachen würde.

Nun wäre diese un-heimliche Leiberfahrung des Abrazo eine Emotion zweiter Ordnung – selbst sinnlich empfunden, doch ohne zur Lust/Unlust zu drängen.

Doch ist der „Leib-Abrazo“ nicht so leicht zu haben – er ist eben nicht beabsichtigt – es ist eine un-beabsichtigte Wieder-hervor-holung von etwas Gleicher-Art, etwas, von etwas an sich Bekanntem, das sich von selber wieder und immer wieder-holt – ohne unser dazutun, ohne unsere Absicht, ohne unser Wollen – es drängt sich uns auf – es ist die „Wiederkehr des Verdrängten“ (nach Freud, 1906) oder „was nicht ans Tageslicht der Symbolisierung gedrungen ist, erscheint im Realen“ (Lacan, 1954/55) und bekommt einen „dämonischen Charakter“ oder, es gibt etwas in unserem Empfinden, das wir suchen, das sich unserem einordnenden Finden aber entzieht – ergo Kontrollverlust (Anmerkung: leider konzentrieren wir uns auf das Verlieren und weniger auf die Lust am Kontroll-Verlust).

  • Und dies empfinden wir als Unheimlich, i.S. von Angst.

Nun hat der unheimliche „Leib-Abrazo“ drei Komponenten, eine, die uns unheimlich ist und Angst macht, da sie etwas wieder hervorholt, das wir nicht symbolisieren konnten und verdrängt haben – und auf dem das Hauptaugenmerk der Psychoanalyse liegt -, eine, die uns heimelig ist, die wir im wieder holen wieder erkennen, und die wir als Rettungsanker nutzen, mit Vertrautem gegen die Angst, und eine reale, uns fremde, die erlebbar, aber nicht einordnenbar ist (und die sowohl dem Heimeligen wie Un/Heimlichen zugrunde liegt).

Wie das sich retten geht?

  • Mittels unserer Gedanken, inneren Monologe, schönen Vorstellungen/Phantasien ebenso wie unseren schönen Schritten, Figuren und unserer geliebten Achtsamkeit (sehr easy).

Hier wird das (sinnlich Empfundene, Präsentierte), was emporsteigen will, sobald es wahr-genommen und wiedererkannt (repräsentiert) wird, verneint, verdrängt und ausgestoßen und dort bejaht, symbolisiert und zugelassen – hier weichen wir der Angst des Unheimlichen, dort beachten wir unsere Lust des Heimeligen – selbstbespiegende Kontrolle – und dabei garnicht verächtlich, da es die Tango-Etikette geradezu ausmacht.

Der „Leib-Abnrazo“ als heimliches, d.h. privates Geniessen beider Tanguer, ist

  • zielgehemmt, drängt das Objekt nicht auf ein Ziel – der Lust-Gewinnung und Unlust-Vermeidung,
  • keine Drangsal, die notwendig zur Wendung einer Not ist – dem Signal der Angst,
  • sprachlos, das Sprechen und Benennen (müssen) los geworden,
  • ab- und be-zeichnend, von sich andeutenden, sichtbar werdenden Empfindung, sich von den Sinnesempfindungen aber abhebend, da durch ein Zeichen kenntlich gemacht, jedoch nur markiert, als Zeichen für etwas, auf etwas hindeutet und darin verweilend (ein Gefühl des „da passiert was mit mir!“).

Der „Leib-Abrazo“ stellt sich ein, wenn wir den Gegenstand, der uns hemmend im Wege stand „los“ werden, und dieses Objekt ist für jeden ein anderes, sein Eigen.

  • Die Reize des Anderen, sei er mit uns oder in uns, die „phantasmatisch“ gebunden sind, machen neurotische Angst.
  • Die Reize, die in uns als völlig fremd erscheinen und uns dabei anzugehen, uns anzusprechen und zu betreffen scheinen, machen Realangst.

Von Abrazoetikett zum Leibabrazo – vom heimeligen zum heimlichen Abrazo – geht der Weg nur über das Gefühl des Unheimlichen – wie leicht und schnell oder wie aufwendig und gehemmt dies auch sein mag.

Jenseits realer Fakten und phantastischer Fiktion, jenseits spezifischer Sinnesempfindungen und hineingelegten Bedeutungen zeigt sich der Leibabrazo als ein körperlicher Artefakt, etwas von beiden Tanguer Hergestelltes, Gemachtes – ein Kunstwerk -, das dennoch körperliche erlebte Effekte macht, die Beide zu erhalten trachten – bloß nicht dranpacken, bloß nicht stören – alle Konzentration aufs Verweilen – im „Geniessen der Tanda“.

Der „Leib-Abrazo“ ist eine Kreation aus dem Nichts – eine künstliche, brüchige, beängstigende, schmerzhafte – und dadurch erst ein Genuß.

Gift, um uns in das Wort, die Beschreibung, das Symbolische zu treiben, irgendeinem Ziel entgegen.

Gegengift, um uns daran zu hindern.

Das Leibgefühl ist, hält uns in der Ambivalenz – die sicher viele als Konflikt erleben -; es hält uns an, als Phänomen an sich – zweiter Ordnung, Konstrukt.

Die Passage geht von Heimelig zu Heimlich – über die Ambivalenz des Unheimlichen – die Angst aushaltend – jenseits der Bestimmtheit – Verlust der Kontrolle, Lust am Kontrollverlust, an Ambivalenz (und dennoch Haltung bewahrend, kein „acting out“, keine Fehlleistung).

Dem Zwang zur Intention, Macht und Kontrolle widerstehen, ebenso wie dem Zerfließen in Sinnlichkeit, dem Meer der Sinneseindrücke des Körperlichen, der Idealisierung sowie der Zerstörung eines kohärenten Ich, in Form einer drohende Synkope – Ambivalenz zwischen Macht und Panik.

  • Kastration – als ein Nicht-Können – Ohn-Macht!

Die Umarmung bringt uns immer wieder zum Anderen, der uns von Anfang an bekannt und fremd ist, vom Beginn der Tanda wie von Beginn unseres Lebens.

Wiederholung der Frage „Was will der Andere von uns?“ („Que vuoi“).

  • Ist die Frage beantwortet, und geht es eindeutig um „Tango tanzen mit Ihr/Ihm“, dann ist ein guter, schöner, oder gar idealer Tango möglich – heimelig eben.
  • Ist diese Frage offen – offen für Neues, Fremdes, offen für den realen Anderen -, dann treten alle Formen des Ambivalenz, Ambiguität und Amphibolie auf – un-heimliche Unsicherheit.

Den Tango bloß nicht befragen – das macht doch alles kaputt!

  • „Mag sein; Spass macht der Tango trotzdem!“

Dort, wo wir den Tango nicht befragen, da bleibt unser Bild, unsere Vorstellung, die Phantasie – und das ist unser Ideal-Ich, unser Bild als Vorbild, von uns, von Anderen; prima, wenn’s passt, Scham und Schuld, Neid und Hass, wenn’s nicht passt.

Da wo wir den Tango befragen, kommen wir zu keinem Ende, denn wo wir denken sind wir nicht, und wo wir wären, würden wir nicht denken/hätten wir nicht gedacht.

Und dort wo wir los-lassen könnten, von unseren Bildern und unserem Denken, dort wäre nichts, Leere, ein Loch, ein Mangel – und das macht Angst – und das mit gutem Grund!

Denn dort wo etwas wäre, das uns erahnen lassen könnte, dass uns etwas fehlen könnte, dort erscheint das Unheimliche, die Angst, weiterzugehen und loszulassen, zu zeit-los, sprach-los, sinn-los, be-deutungslos, zum reinen Genuß.

  • Wer weiß nicht, wie quälend es bereits sein kann, wenn „nichts-los“ ist!

Dort, wo das Bekannte und Heimelige eine Komponente des Fremde und Unbekannten bekommt, die etwas mit uns zu tun hat, uns anspricht und angeht, dort wird es un-heimlich.

Dort, wo der konventionelle Abrazo, das bekannten Wohl-Gefühl in der Umarmung ambige wird und zu zerbröseln droht, dort kommen fremde Gefühle auf, die dennoch die eigenen sind, zu einem selbst gehören, von dem eigenen Körperempfinden nicht getrennt werden können, das ist der „unheimliche Weg zum heimlichen Leib-Abrazo – zum Geniessen des Tango“.

  • Was ist dieses Etwas?

(Quellen: Das Unheimliche bei Freud, in: https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Unheimliche; https://www.sfu.ac.at/wp-content/uploads/Freud2_Unheimliche.pdf; Stanizai, E. (2018). The Uncanny: Between Freud and Lacan. https://www.nida.edu.au/__data/assets/pdf_file/0017/44108/May-The-Uncanny-Between-Freud-and-Lacan.pdf; Friedland, J. ()20913). The uncanny, in: The Symptom 515. https://www.lacan.com/symptom15/the-uncanny.html; Howe, J.N. (2011). Wiedererkennen und Angst: Das Unheimliche als ästhetische Emotion. In: Doll, M. et al., (Eds.), Phantasma: Techniken des Unheimlichen (s. 47-61). Wien: Turia & Kant, https://oa.ici-berlin.org/repository/doi/10.25620/ci-03~howe_wiedererkennen_und_angst.pdf; Lacan, J. (2010). Die Angst. Das Seminar Buch X, Vom Kosmos zur Unheimlichkeit, S. 43-60. Wien: Turia & Kant; Seel, M. (1996): Ethisch-ästhetische Studien. Frankfurt am Main: Suhrkamp; Mersch, D.(2001): Aisthetik und Responsivität. Zum Verhältnis von medialer und medialer Wahrnehmung. In: Fischer-Lichte, Erika/ Horn, Christian/ Warstat, Matthias (Hrsg.): Wahrnehmung und Medialität (273-300). Tübingen, Basel: Francke.  Stern, D. (2004). Der Gegenwartsmoment Veränderungsprozesse in Psychoanalyse, Psychotherapie und Alltag. Frankfurt: Brandes & Apsel; Nemitz, R (2013, 2016). Ein Loch im Zentrum des Realen. https://lacan-entziffern.de/reales/das-loch-im-zentrum-des-realen/, https://lacan-entziffern.de/reales/das-imaginaere-das-symbolische-und-vor-allem-das-reale/, https://lacan-entziffern.de/reales/das-geniessen-des-realen-und-das-reale-des-geniessens/; Winter, S. (2014). Das Unbewusste sitzt im Fleisch. Freiburger Zeitschrift für Geschlechterstudien 20/2: 43-58, https://www.budrich-journals.de/index.php/fgs/article/view/17134)

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Das Begehrenein Tangobegehren!

„Schuhe, die nicht passen“ (Ich)

  • „Schöne Schuhe!“ – schwups – tolle Stimmung (Ich-Ideal)
  • „… und was hat er nach der Tanda gesagt?“ – „… das Rot passt zu den Pailletten!“ (Das Andere)

„Sie nickt mir zu!“ (Ich-Ideal)

  • Und dann kommt sie auf mich zu … und geht an mir vorbei!“

Und dann, nach der doch zustande gekommenen Tanda. (Das Andere)

  • „Du, der hat mich gefragt, warum ich an ihm vorbeigegangen bin!“
  • „Was hat du gesagt?“
  • „Ich weiß von nichts!“

„Das Wesen des Menschen ist Begehren!“ (Spinoza, 1677)

Zwischen Wunsch (Freud), Anspruch (Lacan) und Begierde (Sartre/Hegel) ist das Begehren (Lacan)

  • Den Wunsch habe ich – als ein Träumer vom Anderen, irgendwo zwischen Halluzination, Schlaf- oder Tagtraum und (vermeintlicher) Wirklichkeit.
  • Den Anspruch habe ich – als (vermeintliches) Recht auf Befriedigung durch den Anderen oder Pflicht zur Befriedigung des Anderen.
  • Die Begierde habe ich – als bewußt erlebten Mangel, Gier, vorübergehende Befriedigung und (bestenfalls) Linderung der Gier durch wechselseitigen Anerkennung.
  • Das Begehren habe ich – als ein (unablässiges) Begehren des Anderen
    • des Anderen (ein vom Anderen zumeist übernommenes Begehren),
    • – des Anderen (und immer wieder von etwas Anderem) und
    • des Anderen (dieses Anderen da oder jenes Anderen dort)

Das Tangobegehren bleibt übrig wenn der Tango-Wunsch, der Tango-Anspruch und die Tango-Begierde abfallen.

  • Tango-Wunsch
    • „Der spinnt sich irgendwelche Schritte zurecht und du kannst garnicht so schnell reagieren, da kommt gleich wieder eine neue Figur, oder etwas ähnliches!“
    • „Die ist garnicht bei der Sache, schwebt irgendwo und bekommt nichts mit!“
    • „Ohie, der glaubt doch tatsächlich zu tanzten wie ein Gott!“
    • „Schönheit kompensiert das Können nicht!“
  • Tango-Anspruch
    • „Warum geht die nicht auf mich ein, wenn ich möchte, dass sie einen Gancho macht?“
    • „Er könnte auch mal Rücksicht nehmen, wenn ich nicht gleich so reagiere, wie er will!“
    • „Komisch, mich schmerzt nach der Tanda mit ihr immer der Rücken!“
    • „Ich versuche immer ein wenig darauf zu achten, was für eine Figur er gleich wohl machen wird!“
  • Tango-Begierde
    • „Der muss Einer mal zeigen, was ein richtiger Tango ist!“
    • „Mit ihm zu tanzen ist besser als Sex!“
    • „Seitdem wir uns darauf geeinigt haben, dass das hier kein Betanzen des Anderen ist, klappt es besser!“
    • „Wir sind über die Zeit zu einem gut aufeinander abgestimmtes Tanzpaar geworden!“

Das Tangobegehren entsteht mit seiner Anerkennung

  • Es gibt sie, die Tangueras und Tangueros, die seit Jahren miteinander tanzen, schön, kreativ, nah, achtsam und empathisch.
    • „Ja, das haben wir uns in den Jahren gemeinsam erarbeitet, nach vielem auf und ab!“
    • „Wir haben gelernt uns zu sagen, was wir am Anderen problematisch finden und was wir mögen, was uns gut tut!“
    • „Man kann jedem der mit dem Tango beginnt sagen, dass man früher oder später erkennt, was im Tango wichtig ist, was der Andere braucht und was schlecht und gut funktioniert!“
  • Ist dies Folge eines Tangobegehrens oder einer kultivierten Begierde, einer wechselseitigen Anerkennung?
  • Oder ist das Tangobegehren vielmehr die Anerkennung des Tangobegehrens als solchem – entsteht es erst mit seiner Anerkennung, der Anerkennung des eigenen Tangobegehrens?
    • Was immer es auch sein mag.

Die wechselseitige Anerkennung der Schritte, Haltungen und Figuren, des Musikempfindes, des Taktgefühls und der Kreativität des Anderen schafft Gemeinsamkeit im Tango; Anerkennung von ihr als Tanguera und ihm als Tanguero, das A und O des Tango.

A & O

  • Der Wunsch nach einer schönen, harmonischen und lustvollen Tanda ist erfüllt
  • Der Anspruch auf wechselseitige Rücksicht, als Achtsamkeit für die Schritte und Figuren des jeweils Anderen ist erfüllt
  • Die Begierden sind gezähmt, da es letztlich nur achtsam funktioniert, wenn A die Art und Weise des O und O die Art und Weise der A annimmt und anerkennt.

Genügt das?

  • Ja, für den Sonntagnachmittagkaffekränzchentango.
  • Ja, sogar für einen sehr befriedigenden Tango, der Lust auf mehr desselben macht.
  • Ja, für ein gesamtes entspanntes Milongaleben

„Das ist und bleibt ein schönes Hobby, wenns nicht weitergeht!“

  • „Immer wenn ich so gut mit ihm harmoniere, wenn es richtig schön ist, merke ich, dass mir da doch noch etwas fehlt – und das liegt nicht an ihm – bei weitem nicht, es ist in mir!“
  • „Ich habe mit dem Tango aufgehört – der sagt mir nichts mehr!“
  • „Du siehst den anderen im Tanz ihrer Umarmung zu und denkst, die haben da etwas, was dir abgeht, da gibt es etwas, was du nicht erreichst – auch wenn ich weiß, denen geht es ebenso mit mir!“
  • „Da muss doch mehr drin sein?“

Das A&O der Tanda, des Abrazo zweier Körper ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein Tangobegehren, einen Leibabrazo.

  • Es bleibt aber immer ein Rest, etwas, was sich nicht herstellen, nicht machen, nicht herbeiüben, nicht kontrollieren lässt, gleichgültig wie sehr wir es wünschen, wie viel wir durch Üben beanspruchen, wie sehr wir aufeinander einzugehen, einander anzuerkennen uns bemühen.
  • Das, was da im Rest vernommen wird, ist das Tangobegehren, ein Begehren, das nicht befriedigt wird, da, „sobald es eine Befriedigung gibt, das Begehren verschwindet“.
    • Und natürlich taucht es an einer anderen Stelle wieder auf, da es nicht klein zu kriegen ist.
  • Das Tangobegehren ist nutzlos!
    • Es ist aber nicht ohne Zweck
      • es ist Wiederholung, es wiederholt sich, es holt etwas wieder (hervor)
    • Wiederholung dessen was uns mangelt
      • Wiederholung eines/des Anderen, eines anderen (nächsten) Begehrens, Begehren nach etwas Anderem, Begehren nach einem anderen Begehren, einer anderen Form.

In jeder Tanguera und jedem Tanguero steckt ein Tanguer, ein (geteiltes) Subjekt ($).

  • Ein Tanguer, an der Stelle, an der es zwischen A&O mangelt!
  • Ein Tanguer, dort wo wir uns etwas als seiend wünschen, es aber nicht finden, da es das nicht gibt!
  • Dort, wo wir etwas im Anderen begehren, nicht, damit wir es bekommen und satt und befriedigt davonziehen, sondern damit der/das Andere uns eben nicht befriedigt und unser Begehren aufrecht erhält.
  • Ein Tanguer ist nur dann ein Tanguer, wenn ihm etwas fehlt, ein Etwas/Rest, das ein a(anderes) Objekt ist, ein anderes, als es der Andere, mit dem wir Tango tanzen, je sein könnte – kein TanguerO/A mit eine(m)r anderen TanguerA/O, besser, einem Bild vom (vervollkommendenen) Anderen.

„Es ist so schön mit Ihm!“

„Sie geht perfekt auf mich ein – wir harmonieren!“

„Wir verschmelzen in der Tanda!“

„Wir genießen die Teile unserer Tanda, die gut funktionieren, und die anderen ignorieren wir einfach!“

„Es ist nicht sinnvoll darüber zu reden, reden zerstört so Vieles!“

Ein Tanguer ($) entsteht, wenn A&O etwas fehlt, wenn etwas Mangelt, ein Rest, der das Tangobegehren aufrecht erhält, eine Haltung des Begehrens, das Begehren zu er-halten … und zwar sowohl aufrecht als auch vom Anderen.

  • Das Begehren des Anderen ist ein Begehren nach dem Begehren des Anderen.

„It takes two to tango!“

  • Anfänglich bin ich mir meiner Schritte und Haltungen bewußt, selbst dann, wenn sie mir nicht perfekt gelingen – mache ich x, dann macht der Andere y, etwa beim „Paso basico“.
    • A x O – alles klar, passt!
    • bis hin zum Tango-Oblativo und Tango -Sensico
  • Dann, nicht da die Schritte, Figuren und Haltungen komplexer werden, sondern weil es einfach nicht genügt – niemals -, es drängt nach einem Mehr, Besser, Harmonischer, Tiefer, Intimer – nach dem Leibabrazo, dem Tangogenießen.
    • A ? O – wo ist es? … was willst du? … wo bist du?
    • Gibt es das Mehr am Tango, von dem alle reden und Träumen – das „argentino, den Glanz und Schimmer hinter den Schritten, Figuren und Haltungen
  • Dann, mit zunehmender Erfahrung, Enttäuschung, Abgeklärtheit und auch Perfektion, Gelassenheit, Respekt, Verständnis, Wohlwollen – finden wir uns ab – wir geben uns nicht nur zufrieden und akzeptieren, sondern wir begleichen den Schaden mit etwas Gleichwertigem.
  • Dann ….
    • hören wir mit dem Tango Argentino auf (und fangen mit Salsa an – was für ein Gewinn an Lust!),
    • bejahen wir das, was da ist und hören auf weiter zu fragen (s.o. das Nein)!
    • genießen das, was uns verbleibt, ziehen den Nutzen und unsere Lust daraus (plus-de-jouir) daraus – heimeliger Tango!
    • ziehen aus der Tango-Obsession unseren solo und altro Genuß (vielleicht auf Kosten eines gemeinsam geteilten Genießens)
      • … dann noch der Rotwein, die guten Gespräche, nach Hause und ab in Bett!
      • … dann ist alles fein.
  • oder …
    • es taucht der Glanz, der Schimmer des Tango Argentino auf – plötzlich und un-heimelig
    • der Körper meldet sich – nicht in seiner Funktion, eher in seiner Er-Regung
    • der Atem, eine Röte im Gesicht, Speichelfluss, ein Verschlucken, empfundener Puls und Herzschlag, ein rumorendes Bauchgefühl, ein Zittern, ein ungeschicktes Stolpern und weitere Regungen des Körpers
      • leicht und angedeutet bei den Einen
      • ausgeprägt und drängend bei den Anderen
        • sei´s drumm …
        • man geht danach wieder auseinander oder gemeinsam weiter!
  • Es trennt sich etwas aus der feinen Organisation des sauberen, organisierten, bewusst und kontrollierten Tangos – es trennt sich etwas ab und
    • es ist verstörend, unheimlich, beängstigend
    • es passt nicht und will sich nicht (re-)integrieren

Und klar, wer sich hier intensiv seiner eigenen, nicht genügend oder erheblich ausgeprägten Regungen fürchtet – fürchtet sie bei der/m Anderen um so mehr.

  • Eifersucht, Ver-heimeligung/Ver-heimlichung, Verleugnung und Selbst-Täuschung – all das kann man hier(her)aus er-finden
    • sei´s drum – mag man hier hängen bleiben und zurück auf Start gehen, in die Tango-Obsession, ins Ablative oder Sensitive oder gar zum Salsa, oder ein Paar trennt sich eben – weil eben das, was innen zu geschehen hat und sich nicht einstellen kann, außen vollzogen wird – die Spaltung des Subjektes.

Was regt sich in der Regung? – Was ist eine Tangoerregung? Was trennt sie vom Tangobegehren?

  • Biete ich dem Anderen einen Schritt an (S1), so kann er seine Bedeutung erkennen und folgen (s1)
    • und juhu, ich habe eine (passende) Antwort erhalten.
      • oder habe ich etwas verwechselt?
        • glaube ich vielleicht nur, die Bedeutung meines S1 wurde vom Anderen erfasst und passend beantwortet?
      • Stellt sich hier die Frage nach Wahr oder Falsch, äußere Realität und inneren Realen, Selbst- und Fremdwahrnehmung?
  • Biete ich dem Anderen einen Schritt an (S1), so unterstellt ich damit eine Bedeutung, der der Andere folgen kann (s2) oder eben nicht (sx).
    • und juhu, ein s2 und ich fühle es passend, fühle meinen Schritt anerkannt
      • zack – ich habe Lust!
  • Biete ich dem Anderen einen Schritt an (S1), und lasse meine Unterstellungen (ungeachtet dessen, ob dies überhaupt geht), dann erlebe ich ein (S1) von da Draußen kommen.
    • eben keinen richtigen, falschen, passenden oder sonstwie gewerteten Schritt (s1).
    • Dieser von da Draußen kommende, fremden S1 ist bei Nichten heimelig, sondern unheimlich und ängstigend.
      • Er sagt: Da ist jemand und Hier ist jemand (zugleich) – er ist ein Zeichen, eine Spur, die darauf hinweist, das es da etwas gibt – und zwar das Andere – nicht als der, der mir Antwortet (s2), sondern der als S1 ex-istiert und in-sisitiert – und zwar immer nur als S1 (da jedesmal derselbe und neu zugleich).
      • Und dieses „Er sagt“ dieses S1 (das, was mir an dem Schritt etwas sagt, nicht im Kopf, nicht im Körper) ist nicht die bedeutsame Erregung, sondern die Regung an der Erregung – nicht das, was ich bereits kenne, mein Herz, mein Bauch, mein Atem, sondern mein Leib – das Leibgefühl.
  • Biete ich dem Anderen einen Schritt an (S1) und bedeutet der Andere mir ein S1 mit angehängtem s2, erfahre ich s2/S1, seine Essenz und Existenz.
    • Zwar geht die Existenz der Essens voraus, da ich jedoch denke, bin ich nicht – und bleibe daher dem s2 verhaftet.
    • Ich bemerke ein Mehr, ein über mein Bedeuten des Anderen (s2) Hinausgehendes, seine Existenz, bar jeder Essenz, die der Andere von mir zugesprochen erhalten haben kann.

Die Erfahrung der Existenz hinter/mit/in/nach der Essenz des Anderen ist schlicht ängstigend – da unheimlich, fremd, da eine Erfahrung seines Seins.

  • Und ich bin allein dort ein Tanguer ($), wo ich den anderen nicht nur als antwortgebend (s), sondern auch als bedeutungslos (bar jeder von mir ihm zu verleihenden Bedeutung) erlebte (S), außerhalb meiner Kategorien – und genau hier entsteht das Unheimliche, das Schaudern und die Angst.
    • und dabei ist’s dann auch unerheblich, ob ich diese Angst erfahre, da ich den Anderen als Tangoero/a so erlebe (beängstigend) oder mich selber (geängstigt)
      • ob ich wahr und unwahr, richtig oder falsch in meiner Beurteilung bin,
        • da sich diese Frage einfach nicht länger stellt.
  • Die Regung an der Erregung ist die Reminiszenz – ein Anklang an etwas Früheres.
    • Vielleicht macht auch die Reminiszenz den Kern der Erregung aus?
    • Oder aber der/die andere Tanguer bringt etwas in uns zum Klingen, einen Anklang an einen Wunsch, eine Vorstellung von etwas ehemals Gewolltem, welches man wieder haben will, und was einen rege macht, an- und manchmal auch deutlich erregt.
    • Und regt sich etwas – da durch irgend etwas beim Einen oder Anderen angeregt – etwas, dass nicht verstanden wird, nicht gleich einzuordnen ist – tritt in den Abrazo ein Schimmer ein – zart, heftig, stolpernd, hitzig … wie auch immer – es reminisziert.
    • Der Andere gibt nicht mehr Antwort in seinen Schritten, Figuren und Haltungen – der Tango verliert den Wert seiner Essenz – er, der Andere, zeigt sich, erweist sich als gegeben, als existent – und wird seinen Wert los, wird bedeutungsvoll los, seine Essenz los.
      • Und wo dieser Verlust erlebbar wird entsteht ein Schreck, ein Zittern, ein Unbehagen, ein Unheimliches, eine Angst.
      • Da die Wahrnehmung des Mangels im Anderen nur schwer erträglich ist.
        • und von daher lieber – schwups – in die bekannte Erregung – eine Übersprungshandlung, die im Nu die Angst reduziert und zu bekannten und klar eingeordneten Gefühlen der Lust und Unlust führt
        • Puh, nochmals davon gekommen!
      • Und ist die Reminiszenz heftig, so kann sie auch Trauma genannt werden, mit feuchten Händen, Schweißausbrüchen, Zittern und Nervosität.
      • Und ist die Reminiszenz zart, so kann sie auch ein schönes Erschaudern sein.
      • Und ist die Reminiszenz erkannt und benannt, eingeordnet und im Netz der Erinnerung, dann ist sie weg!

„Ich fühle mich bei Ihm so angenehm aufgehoben!“

„Es macht mir Freude, ihr den Valz beizubringen!“

„Das war die schönste Tanda, die ich jeh hatte!“

„Mir stellen sich die Haare auf und es fröstelt mich jedesmal mit ihr!“

Angenehm, Freude, Schönste, Frösteln und alles mehr haben wir nur als Reminiszenzen; nur, da wir uns an Früheres erinnern, an das wir diese Er-/Regungen anlehnen, womit wir sie vergleichen und einordnen.

Tangoregungen sind kein Tangobegehren!

Nun kann man sicher noch weitergehen, in noch unbekannteres Terrain, ein noch weniger gesichertes Gebiet, ein Feld „außerhalb“.

Ist das Tangobegehren ein Begehren nach dem Anderen, des Anderen, und kommt es gar vom Anderen, oder einer Reminiszenz, dann ist es ein „Begehren da draußen“.

  • „Ich will schön tanzen!“
  • „Ich will mich dabei gut fühlen!“
  • „Wir wollen harmonieren!“
  • „Ich gehe zur Milonga!“
  • „Er blickt mir zu!“
  • „Es ist wunderbar zu fühlen, in welcher Intimität wir in der Tanda einander begegnen!“

und alle anderen Satzkonstruktionen mehr, alle, die man sich nur Erdenken kann!

  • ja, auch solche in Frageform, mit ?.

Wie war das nochmal in er Schule: Subjekt-Prädikat-Objekt

Klar, es gibt da auch noch den Automatismus der Tanda (eben gelernt, damals, als der Tangolehrer zu mir sprach) die Vorstellung von der Milonga, das Bild der Figur (was die guten Tanguera/os so richtig perfektioniert macht) oder das Kreative/Poetische (nach mehr oder minder vielen Jahren).

Der Tanguero, die Tanguera ist exakt da, in dem was er/sie kann, dem jeweils konstruierten Satz oder der erlernten, virtuosen Tangofigur – Sein in einer Welt sinnenhafter Bezüge (Heidegger).

  • Ich bin, was ich kann!
    • sagen, hören, sehen, tanzen, denken ….

Tangobegehren ist ein Begehren nach einem Da-Sein, einem in der Welt sein, einem Da-sein, wo die Anderen auch sind – eben save!

Dasein ist Selbst- und Fremdfürsorge (sich sorgen können um .….) und macht so ein Leben mit anderen erst möglich.

Und das Begehren ordnet das Verhältnis zwischen Selbst und Anderem, Selbstsorge und Fürsorge, Liebe und Hass, Lust und Unlust!

  • Und dadurch mögen wir erst eine gemeinsame Tanda!

Und wehe wir verlieren unsere sinnhaften Bezug zur Welt, wehe „ich trete dir auf den Fuß“ (sorry), wehe es kommt das Gefühl auf, jeder tanze nur für sich, wehe wir empfinden Liebe nur als Selbstliebe, als die „produktive Form des Narzissmus“.

  • Wehe, du gehst über deine Grenze der Befragung, der Befragung deines Tangobegehrens hinaus.
  • Wehe, du zweifelst, denkst, das sein nur d-eine Phantasie und es könnte auch anders sein.

Dann warnt uns die innere Unruhe, das Unheimliche, die Angst – und bringt uns wieder auf die Spur, zurück zum „zumindest irgendetwas Begehren“, wünschen, wollen, sich spüren – etwas worran man glauben kann, was sich als wahr anfühlt.

  • Wehe, du entfernst dich von deinem Beghehren zu sehr und stellst keine Fragen mehr und befragst dein Tangobegehren nicht länger.
    • „Der Tango bringt’s auch nicht mehr!“

Dann wird’s schal, es wird abhängig, von Milonga zu Milonga, von Tango zu Salsa zurück und überhaupt, aufhören mit dem Ganzen.

Kein entrinnen!

Das Tangobegehren lässt uns zwischen Anstrengung, Aktivierung, Erregung, Begierde, Sucht und Ermüdung, Erschlaffung, Erstarrung, Burnout und Depression, zwischen Lust und Unlust pendeln, wie ein aufgezogenes Metronom, „hocked on a request for desire“.

„Loslassen“ – die rettende Alternative – doch leider ein Imperativ.

  • Es ist nicht so einfach – einfach loszulassen.
    • lass einfach los!
    • hör auf zu denken!
    • geniesse!

Das, und alle vergleichbaren Worte sind eingefasst in eine Satzkonstruktion, eine Vorstellung oder eine Übung.

  • Mehr kann ich dazu nicht sagen, komme immer wieder auf diese Feststellungen zurück, sorry dafür!
    • Bin wohl selber zwanghaft.

Nun mag es beim Tango im Hirn leuchten, körperliche Regungen – besser Erregungen – machen sich breit, heftig, still und stets begleitet von „Orientierungsreaktionen“, vielleicht ursprünglich als Beunruhigung, Schreck und Angst empfunden, und nun nur noch als „Hinweisreiz“ (Skinner) oder „Signalangst“ (Hemmung, Symptom und Angst, Freud). Und durch diese Reaktion der Beängstigung, in Folge der Beängstigung, kommt es zur Orientierung, zum Lernen, zur Bildung von Wort- und Vorstellungsrepräsentation, zur Bildung des Ich – als ein Angst-reduzierendes Ich, eines das es begehrt, die Angst zu reduzieren, eines, das Lust empfindet, sofern es Angst/Beunruhigung reduziert – also Unlust vermeidet -, eines, das sich Selbst-Wirksam in dem Maße erlebt, in dem es Angst, Beunruhigung, Ungewissheit kontrollieren kann.

  • Und so tanzen wir den schönen, virtuosen Tango, in korrekter Position auf der Pista und in der Etikette der Milonga.
    • alles ist fein und gut
    • ein Da-sein
    • geordnet in der Welt

Es kommt zuweilen vor, dass eine Kultivierung der Tanda entsteht, eine Kunst, eine Ästhetik, eine Poesie,

  • im Arrangement mit dem Begehren,
    • und mit Appetit am Tango (den Hunger, den Mangel besiegt)

Es kommt zuweilen vor, dass sich die Orientierung in der Tanda verliert, eine Kunst, eine Ästhetik, eine Poesie,

  • im Durchschreiten des Begehren,
    • und im Objekt der Tanda.

Der Appetit ist ein Wohlgenuss am Dasein.

Das Objekt ist die Umarmung der Angst und Ungewissheit hinter dem Begehren, hinter der Orientierungsreaktion und seiner Einfassung durch Gelerntes, Repräsentationen der Vorstellung und Worte.

  • Es umarmt die aufsteigende Angst und entlässt ein Begehren

Auf dem Weg vom Da-Sein zum So-Sein, vom in der Welt sein (Hiedegger) zum im Leben, lebendig sein (Henry, Kühn), vom Körpergefühl zum Leibgefühl – durchaus durch die Angst, den Leibhaftigen, das Phantasma hindurch.

  • Es wäre die Tangoregung hinter der Erregung, die aufkommt, wenn uns das Begehren verlässt, wenn es zu stark wird oder schwindet,
    • und es ist keine psychophysiologische Messgrösse (Botschaft an die Kontrollfreacks)
  • Es ist das am Trieb, was sich als Triebobjekt nicht erfassen lässt, da es in grauer Vorzeit einmal da war (im Da-Sein) und auch ein Ziel hatte (die Befriedigung),
    • und was nun verschwunden ist, abgetrennt, fallen-gelasssen,
    • was keine Da-Seinsberechtigung mehr hat, funktions- und sinnlos,
    • und was dennoch da ist (extim), einfach so ist, ein so-sein
      • es fragt nicht, sucht nicht, drängt sich nicht auf,
      • etwas hinter dem Grundrauschen auf dem Boden der Welt (des Da-Seins)

Die Tangoregung, es muss wohl ein Gefühl des Lebendigseins sein – und vielleicht ist das Bild, der Rahmen des Spiegels, in dem wir uns in der Welt da draussen sehen („Morgen werde ich wieder zur Milonga gehen, ich freu mich schon!“) und überhaupt, erst erkennen, durch den wir durchschreiten müssten, unser Antlitz verlieren, da wir uns nicht länger als Narziss im Spiegel unseres Da-Seins erfassen, sondern in der Angst, des spiegelbildlichen Selbstverlustes – Genuss am pulsierenden Verschwinden getragen durch Vals, Tango und Milonga.

Nicht er ist es, der führt, nicht sie, die folgt, es ist die Musik, der sich beide fügen, die Fuge als klingender Zwischenraum.

  • Und sie regt beide an,
    • ohne zu einer Er-Regung, einem Begehren zu führen, gefolgt von oder als Ursache einer Orientierungsreaktion, eines Da-seins.

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(Quellen: Evans, D. (2020). Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse, Begehren (s. 53-58). Wien: Turia & Kant; Nemitz, R. (1013). Anspruch und Begehren im oralen und analen Stadium, https://lacan-entziffern.de/anspruch/anspruch-und-begehren-im-oralen-und-analen-stadium/; Lacan, J. (2013). Das Begehren und seine Deutung. Wien: Turia & Kant; Nemitz, R. (1013). Lacans Sentenzen: „Das Begehren ist das Begehren des Anderen.“ https://lacan-entziffern.de/begehren-des-anderen/das-begehren-ist-das-begehren-des-anderen/; Lacan, J. (2010). Die Angst. Das Seminar Buch X, Die Ursachen des Begehrens, S. 129-144, Tüpfel auf dem Begehren, S. 185-194, Die Angst zwischen Geniessen und Begehren, S. 197-263. Wien: Turia & Kant; Funk, B. (2009). Eine klinische Einführung in die Lacan´sche Psychoanalyse: Theorie und Praxis. Die Dialektik des Begehrens, S. 77-105, Wien: Turia & Kant; Hewitson, O. (2010). What Does Lacan Say About… Desire? https://www.lacanonline.com/2010/05/what-does-lacan-say-about-desire/; Nemitz, R. (2914). Die Anerkennung des Begehrens und das Begehren nach Anerkennung, https://lacan-entziffern.de/subjekt/anerkennung-des-begehrens-und-begehren-nach-anerkennung/; Khurana, T. (2017). Bewusstsein des Lebens und lebendiges Selbstbewusstseins Anmerkungen zu einem Übergang in Hegels Phänomenologie des Geistes*, https://www.researchgate.net/publication/331812999).

Tangoregung: Von der Somatik zur Ästhetik

Jede äußere Anregung, geht mit einer bedingten inneren Erregung einher, die das So-Sein der Regung in ihr Da-Sein führt – dort draußen, in der Welt.

Das Fleisch/Organ kennt kein Modell, es funktioniert, eben genau so, wie es funktioniert. Schon der erste Paso funktioniert, und würde es dabei belassen, ohne ein weiteres Begehren, so würde es genügen, eben da es funktioniert. Doch, es gibt die Vor-Stellung, die uns den Paso ver-gegenständlicht, ihn uns vor-stellt, uns als Imaginäres, Bildhaftes, als Gebilde, von uns (auch als gesellschaftlich normierten Mittelwert) ge-bildet, vor den (vor das Primordiale am) Paso stellt, der eigentlich ja bereits funktioniert.

Dieses Gebilde ist bereits vor- und ein-gebildet, nüchtern betrachtet, ein Standard (bis zum Standardtango, nüchtern und ohne Seele, cold cognition), betrunken betrachtet, ein Pathos (vom Affekt über die Leidenschaft bis gar zur Pathologie, hysterisch, obsessiv, narzistisch, dissociative …, eben mit hot cognitions versehen). Dieses Imago ist ein not-wendiges Phantasma, ein den Sinneseindruck zur Wahrnehmung (als kalte Vorstellung)  zum überhaupt erst für Wahr-genommenes (nicht mehr ganz so kalt) bis hin zur bedeutungshaltigen Realität treibendes, für Wahr An-genommenes – weit weg vom Paso als solchem, dem Ding an sich.

Mit diesem Bild unseres Paso sind wir erst in der Welt, mit diesem erst, können wir was anfangen; und was wir alles damit anfangen – geh mal mit offenen Augen zur Milonga.

Vom Fleisch, als Knöchel, Sehne, Ferse, Fessel, Ballen …, zum Körper, als Fuß, Schritt, Drehung …, zum Leib, als Leib-haftig. 

Irgendwo treffen sich die Motorneuronen (die von der süß anmutenden Fessel dieser aufregenden Tanguera, uiii) in den somatosensorischen Projektionsarealen (vom hören, riechen, sehen, tasten) und tauchen etwa im homunculus auf (viele können das besser erklären als ich, der ich nur anregen will). Zuvor und/oder danach kommt es zu einer vorübergehenden Vermählung im Zwischenhirn, von den senso-motorischen oder Sinnesempfindungen und dem autonomen, dem Teil des Nervensystems, dass unser Vegetativum regelt (von den Bronchien über die Harnblase, unsere Genitalien, die Galle, bis hin zum Speichelfluss, Herzfrequenz und Muskeldurchblutung, Porges). 

Wer spricht schon mit seiner Ferse und beruhigt mit Zuspruch seine Gallensekrete.

Doch das Fleisch wird zum Bild des Körpers, sobald wir es miteinander beziehen und in uns bezeichnen bebildern, bemalen und besprechen, es mit Vor-stellungen bekleiden, ver-gegen-ständlichen. 

Nun, mit dem Körper erst, kann ich den Fuß in der Base, oder beim simplen Caminar von der Ferse zum Ballen abrollen, gleichmäßig atmen, die Schulterpartie entspannen, den Hals hochhalten aber nicht überstrecken und dem Abrazo nachspüren. 

Juhu, des Fleisch wird durch die Abbildung und Nachzeichnung seiner Aktivität zum (narzisstischen) Körper und durch seine Be-sprechung beherrschbar. 

Ein Tanguer wird zum Herr der Lage – außer man(n) besteht auch hier darauf, das es be-fraubar wird … sorry, I‘m not that consequent.

Nun, vielleicht entsteht der Körper als Ab-Bild der primären, imaginäre Projektion, durch eine sekundäre, symbolische Projektion (die das eigene Fleisch, die Organe ordnet, unterwirft), sonst würde alles surreal ohne Rahmen und Fenster und ohne Da-Sein, und wir projizieren unsere Introjekte als unsere Vorstellung von der Welt, die wir dank unserer Assoziationsfelder/-fenster bilden, konstruieren, und vor uns hin projizieren, in das Spiegelbild, auch unserer Selbst (ein Ich setzt bereits ein Du voraus). Denn nur so erst kann ein Tanguer entstehen, gespalten zwischen primären Eindrücken und entäußerten Ausdrücken, Abbildungen unseres Fleisches als Körperbilder, die durch Sach- und Wortvorstellungen beherrschbar, kontrollierbar werden, zur Abwehr von Angst per Fixierung (Johnston, Aulagnier, Leiser).

Was wäre nun, wenn sich primäre, in uns hinein projizierte äußere Sinneseindrücke, und innere autonome Empfindungen als Introjekte zügellos bilden und innerpsychisch umherwabern würden, Dämonen gleich, was wäre, wenn es nicht ein inneres Modell, ein Soll und Standard, die vom Lehrer gehörte An-Weisung gäbe, wenn all das fehlen würde?

Wir wären ein psychophysiologisches Reaktionsbündel (oder psychotisch). Die Ferse konkurriert mit dem Ballen, die Strecker und Bäuger lassen uns stürzen, die Galle spuckt und das Genital er-regt sich bis die Herzfrequenz eskaliert – na prost!

Das alles führt nicht zum Tango – und schon gar nicht einem miteinander in der Milonga.

Gut, dass Herr/Frau Lehrer/in (das war jetzt patriarchal gegendert- da auch „Heute gendert man“ als Imperativ einer Patriarchalisierung unterliegt) ein Mach-t-Wort spricht – und damit eine Ver-Ordnung, ein Gesetz, dem, gesetz-t des Falls, es mögen sich darüber funktionale zentralnervöse Assoziationen bahnen, so wäre die darüber internalisierte sekundäre Projektion (im ZNS) verstärkend, etwa den Paso, als von der Ferse zum Ballen abrollbar, beherrschend.

Top-down Kontrolle – the aim of each psychotherapy – ist wunderbar, der schönste Tango kann so entstehen – wunderbar hergestellt und beherrscht – Applaus,,

Sie sind als Tanguera und Tanguer Herr der Lage – selbst das ansonsten so autonome Nervensystem applaudiert über Lustgefühle als harmonisches Spiel von Sympathikus und Parasympathikus.

  • alles ist fein und kann so bleiben.

Standard, Urteil, Moral und Emotion, gesteuert durch den Frontallappen bringen uns zueinander in Tango, Vals und Milonga.

Doch haben wir damit lediglich die Angst im Griff, die, welche ein Wechselspiel zwischen Amygdala, Frontallappen usw. (etwa wie: Frontallappen + Amygdala + Hippocampus = Angst) triggert, und die, erfolgreich emotional reguliert, uns die Milonga lieben lässt.

Jede gelungen getanzte Figur signalisiert unserem Hirn, „keine Sorge, du hast es im Griff!“

  • und auch … „Du hast wieder einmal das Überraschende der Welt da Draußen darauf reduziert, was du bereits kennst!“
  • Und … „Die Unruhe in dir konnte dich nicht dysregulieren, du bist normal!“

Jeder Fehltritt im Tango und jeder Fehltritt auf der Milonga, von den etablierten Introjektionen, Assoziationen, Projektionen und Internalisierungen als Abweichungen vom Standard realisiert (und wahrgenommen) und somit als Gefahr signalisiert, rufen Orientierungs- und Schreckreaktionen und para-sympathische Dysregulationen hervor, oder sind es, als Angst, die etwas signalisiert.

Angst, als einzige, die nicht darüber hinwegtäuscht, das dieses sie auslösende Etwas von da Draußen ist (von etwas das sagt … „mehr als das“, … „was du kennst, was du je beherrschen werden wirst!“, ätsch), etwas, das den Introjekten, Projektionen, Internalisierungen und für Wahr-angenommenen entgegen steht, das Reale im Phantasma (Lacan).

Diese Angst, die eigentlich nicht täuscht, die von uns eine Orientierung verlangt, die mit der zentralnervösen Orientierungsreaktion identisch ist (so mein Dafürhalten), diese macht einiges mit uns!

  • Scham, Schuld, Abwehr, Widerstand, Rationalisierung, Identifikation mit dem Aggressor und all die anderen Abwehrmechanismen (Anna Freud)
  • und natürlich: Stolz, Selbstbeherrschung, Selbstwirksamkeit, Urteilskraft und all das andere positive Zeug.

Zwischenfazit: vielleicht so – „Lebe von deinen Orientierungsreaktionen aus betrachtet – Lebe aus Angst und Ergriffenheit vor der Schöpfung – vor dem was gerade in der Tanda passiert“ – passagere. 

Aber auch so: Die äußere und innere Stimulation des Organs wird primär präsent (übersteigt ein Limit)  und ruft Orientierungsreaktionen hervor – später dann Angst oder Freude -, was vielfältige Assoziationen bewirkt, die das Präsente re-präsentiertieren, wodurch die Stimulation (oder etwas daran) zu einem Hinweisreiz wird, auf welchen hin eine Standardreaktion folgt (der perfekte Paso) unter Ersparnis des Zuviel an der Orientierungsreaktion, dessen Signalcharakter, als Signal/-angst, was wiederum mit Habituierung/Hemmung gleichgeht und letztlich auch den Lernerfolg beim Tango ausmacht – und die zunehmend ersparte Energie entläd sich in Stolz und Freude.

Oder: Aus Stimulation des Organs wird Erregbarkeit des Körpers, die mit zunehmender Kunst den eindeutigen Hinweisreiz als Erregung fortschreitend zu einer sublimen Anregung wandelt, sensibler, defiziler, empfindsamer sublimer.

Wie aber können wir von den erregbaren Sinnen über den angeregten Körper zur Regung des Leibes – vom Da-sein im Körper (ich hier und da mein – narzisstischer – Körper) zum So-sein (leib-haftig) gelangen (s. u.a. Merleau-Ponty, Aulagnier Henry, Kühn).

Ich muss spätestens hier darauf insistierend hinweisen, dass das Christentum nicht aus religiöser, sondern eher anthropologischer Perspektive zu betrachten wäre – eher so!

Das So-sein – der Paso an sich – ihn werden wir in dem Zucken der Muskeln, der Spannung der Sehnen, dem Druck auf die Knie, nicht verstehen. Und auch in der Vorstellung vom abrollenden Fuß werden wir zum Fleischlichen noch Bilder, Affekte, Wortfetzen oder gar ganze, das sich Ereignende begleitende oder kommentierende Sätze (zuweilen ruminierend) hinzufügen, um daraus eine Montage, eben diesen unseren Paso da draußen hinzusetzen, -zugehen, -zustolpern, -zukreisen (eher bricolage als mastery).

Von da aus, von unseren Vor-Stellungen (als Sach- und/oder Wortvorstellungen), macht der Paso einen Sinn, imaginär und symbolisch. Es fügen sich weitere Pasi, Figuren und alles hinzu, was ein gemeinsam getanzten Tango als gekonnten ausmacht.

Vom So-Sein zum Da-Sein – vielleicht ein „Wo Es war, soll Ich werden“ – und immer wieder, vom Auftauchen des fleischlichen Paso aus dem ES zum zusammengesetzten, (re-)konstruierten ICH. 

  • Und wer hier alle Triebanteile am Paso/Tango absondert, der bringt dies alles auf eine erlernte, neurophysiologisch determinierbare Reiz-Reaktions-Verkettung …. auch gut.

Wenn da nur nicht ein Tanguer und noch ein Tanguer wären – zuweilen hetero-geschlechtlich als Tanguera und Tanguero gegendert.

Wenn da nicht schon immer Triebanteile zum fleischlichen Anteil des Paso hinzuzählten und wir das Gemenge nur als mangelhaften Körper (Paso = Fuß und alles Andere was sich bio-psych-sozial (b-p-s) im Verlaufe unseres Lebens verkörpert hat) wahrnehmen könnten, ein Körper, der als stets etwas ermangelndes erlebt wird (Signifikant des Mangels im Anderen, S(Ⱥ). Dem Paso mangelt etwas, und das was im mangelt ist der Mangel im Anderen – sofern auch dieser nicht weiß, was ihm mangelt.

  • Gehen wir mal weiter vom b-p-s, also vom Sexuellen des Subjektes Tanguer aus.
    • dem Begehren des/im Körper/s
    • dem Begehren des/im Denken/s
    • dem Begehren des/im Anderen

Hier montiert sich zum pirmalen/primordialen (primordial one; ursprünglichen, uranfänglichen, zuerst Seienden, kein „fake“), zum So-sein an sich, ein ganzes gelebtes Leben, welches da-sein kann, als sich vorgestellt, als Diese oder Jener – als Prestige -, als individuelle Geschichte, normal, neurotisch, pervers, psychotisch – egal – vielleicht leidend – aber schon immer eskamotiert, traumatisiert, mortifiziert, alienisiert …

  • das uranfänglich „Eine“ ermangelnd (und im Anderen suchend, der es aber auch nicht hat S(Ⱥ), was es erforderlich macht, es im Anderen anzunehmen, wodurch dieser die Möglichkeit hat, die Annahme anzunehmen oder abzuweisen, was zum einen die Geworfenheit in die Welt erklären hilft, und zum anderen, der gemeinsame Konstruktion von Wirklichkeit zu Grunde liegt. jenseits des sozialen „fake“.

Wäre da nicht der Leib, unser Leib, der an all dem haftet – nicht unmittelbar an dem primordialen Fleich, Organ, Axon, Gallensekret, doch an all dem, was sich daraus an Körperlichem, an Bezeichnetem, an Gestörtem oder Normierten bildet. 

An jedem Paso haftet etwas, was als Gegebenheit hinzukommt – was es auch immer bei mir, dir hier und dir als deinem „je“ je mangelnde Anderen sein mag.

Oder: Da wir die Ur-Sache des einfachsten Paso nie erfassen werden, ist ein Paso einfach nur ein Paso (gleichgültig, wie viel ich darüber schreibe – hier spätestens kann man aufhören weiter zu lesen) und da wir ihn nicht erfassen (Loch im Realen), ist er nichts determiniertes (puhh), sondern dass, was hinzukommt (das Körperliche zum Fleischlichen – das „genau so“ Abrollen des Fusse), was uns wiederum aufzeigt, das es das Loch gibt (Freiheit, Nichts, alles Mögliche), was wiederum eine Besorgnis auslöst, die doch der Andere bitte lindern soll (das Loch stopfen), was er aber nur vorgeben kann zu tun (S(Ⱥ)), als unser Supplement, pretender, imposter, semblant, da auch er im wesentlichen ein Mangel ist (Mä/angelwesen).

Der Tango I ist wohl ein im Da-sein getanzter.

Der Tango II ist wohl ein im So-sein, des an allem haftenden Leibes getanzter.

Wir kommen wohl nie wieder zum ursprünglichen Ding, zum Organ, zum Gegen-Stand, der uns zu Beginn des Tango-Leben entgegen stand, zurück. 

  • zu einem wie auch immer verklärten Ur-zustand – kein Mythos, pure fake! – oder?

Immer bleibt es eine Re-präsentanz, ein Vorgestelltes, Verkörperlichtes.

  • Achtung: Jetzt mal ein joke! Es geht um den Tanz, den präsenten Tanz an der RepräsenTANZ- um den Repräsentanten an sich, nicht um das, was er alles repräsentieren mag (im Sinne von mögen, oder uns drängen, so oder so oder anders, als gerade so zu sein, eben da-, und exakt Dieser sein zu müssen der/ie Beste, der/ie Richtige, der/ie …, eben Prestige).

Das, was uns der körperliche Paso, wenn er – wie auch immer – losgeschickt wird, um begangen zu werden, rückmeldet, ist von dem Bedeutungseffekt (seiner sinnhaften Wort-Repräsentanz für uns) zu trennen, den wir ihm zuschreiben – gelungen, schön, zu schnell, intensiv, lasch, herausfordernd, herrisch, läppisch, lasch, bedrohlich …. –

  • ohne „its meaning effect“ (Seminar XX s. 50), ent-fällt die Sinn-Haftigkeit und entlässt die Leib-Haftigkeit aus seiner mortification, Fixierung, semantischen Klammer, alienation und separiert den Tanguer von seiner/m Tanguera/o (das Subjekt vom Ich), ihrer Maskerade, seinem Prestige, dem Da-sein für die Welt, für den Anderen …. entfällt auch die Anmache des/beim Tango! 

Wie aber kann ein Signifikant seine Signifikation verlieren, ohne dass wir in das chaotisch Fleischliche zurückfallen, ohne dass es wieder Verwirrung der Gefühle, zur Triebentmischung, zur Dissoziation oder gar Psychose kommt?

Wie wird der erlernte, b-p-s, sexuierte Paso seine Bedeutung los, wie tanzen wir bedeutungslos, ohne zu dissoziieren (und ihr wieder eine blutige Zehe zuzufügen oder ihn/sie wieder als das ersehnte Verschmelzungsobjekt zu phantasieren, oder als Objekt phantasmatischer Aggression)?

  • wie lässt sich die fixierende Wort-Vorstellung von der fixierten Sach-Vorstellung trennen, ohne dass die verkörperte Montage in ihre fleischlichen Elemente und wir in rivalisierende Partialtriebe zerfallen,
  • wie gelangt man von den imaginären Repräsentationen (S ➔ s, ein Signifikant, der auf ein Signifikat verweist, Apfel für (Bild vom Apfel))
    • „Die da ist schön, mit der will ich tanzen!“
    • „Coole Klamotten!“
    • „Was für eine entrada!“
    • „Ich!“
    • „Mein Knie!“
    • … von dem Kleben an einer Tangofigur, immer und immer wieder-holt
    • … einer Ernüchterung/Enttäuschung zur nächsten
    • … einem Abnutzen des Tangogefühls zur Tangoregung
  • … von einer imaginären zu einer Art symbolischen Repräsentation (S ➔ S, ein Signifikant, der auf einen Signifikanten verweist, und das s daraus jeweils abfällt)
    • Das wäre vielleicht dann gegeben, wenn sich die Art des Sprechens ändert (insbesondere auch des inneren Sprechens)
    • Die Schöne, die Klamotten, diese entrada, Ich, mein Knie kleben nicht mehr, fixieren nicht den Affekt, führen kein Eigenleben im Kopf, dienen nicht mehr der sozialen Bezugnahme, regeln nicht mehr Liebe und Hass, Gut und Schlecht, Ying und Yang)
      • und leider auch erst dann, wenn auch die ganze Achtsamkeit, Entspannung, Hypnose, Yoga … als Versuch des Loslösens oder Ignorierens vom Haften in der Dichotomie von Liebe und Hass … sich erweisen, was sie sind – hilfreiche Versuche – Bemühungen – leider, würde ich mal vernuten.

An dieser Stelle ein Heureka; auf das, was sich vielleicht finden lässt, auch auf die Gefahr hin, es erscheint völlig abstrus!

Das Ästhetische, das Agalma, oder (lediglich) die Ursache unseres Begehrens kann womöglich das Sublimat (das erhaltene Produkt einer Sublimation sein – nach einer langen, erheblichen Phase des Übergangs, von Zuständen der

  • Erregung, sei sie nun sexuell oder sonst wie kathektisch, jedenfalls durch libidinöse Besetzung (Freud), klassisches (Pawlov) oder operantes (Skinner) ankonditioniert / andressiert / instrumentalisiert und dem Begehren des Anderen unterworfen.
  • Anregung als, Impuls, Denkanstoß, Selbstregulation oder Autopoiese, selbst-wirksam und doch Erwartungen unterliegend.
  • Regung (plötzlich auftauchende Empfindung, das Sichregen eines Gefühls; innere Bewegung, Anwandlung, Epiphanie), als Ge-müt-sregung
    • ein sublimierter Stoff (fest, re-materialisiert),
      • der NICHT, aus einem festen Stoff-zustand – durch äußeren Druck und Hitze – über einen flüssigen Zustand, hin zu einen gasförmigen kommt – aus einer Physiologie zu einer Psychologie, einem Körperorgan zu einem Geist, von einem Bio zu einem Psycho – und ALLEN damit errungenen Kulturgütern, die man self-efficient managed, als resilientes, kompetentes, autonomes Selbst – kein rein borromäisches Zusammenspiel aus Realem, Imaginären und Symbolischen,
      • der un-mittelbar, ohne/neben/zusätzlich (or what ever) dem/zum Übergang eines flüssigen (imaginären) Aggregatzustand, direkt aus einem Verhältnis von fest (real) und gasförmig (symbolisch) entsteht – das Sublimat – ein geläuterter, destillierter, chemisch möglichst reiner (von imaginären Verunreinigungen befreiter) Stoff – vielleicht das lacanianische Sinthom, als das, was man letztlich aus seinem Symptom macht.
        • ein Paso, der nicht erregt und ohne Erregung ist (kein Resultat einer erlernten Reiz-Reaktionskette), nicht angeregt und ohne den Anderen als Impulsgeber, der selbst dann (innerlich wertend) spricht, wenn alles schweigt, keine noch so leise, Sprache des Gewissens bis hin zur Rumination – (notwendige) Kultureffekte!
        • ein Paso – mein So-sein im Da-sein – und gut is!

Der Tango I (notwendig um Tango überhaupt erlernen und erleben zu können) ist im Da-Sein, durch konditionierte Erregungen erworben und durch Selbstwirksamkeitserwartungen verfeinert,

  • immer aber nur da Draußen, für, mit und durch den Anderen, im besten Fall höchst angepasst an die Tanguera/den Tanguero – seisdrum, da mit höchstsublimer Lustbesetzt richtig gut und unverzichtbar – immer leichter, immer reiner, immer subtiler und sublimer

Der Tango II ist im So-sein, des an-haftenden Leibes getanzt – des Leibes als Sublimat – als das, was durch den Prozess der Sublimierung (ob nun Freuds, Lacans, beider oder sonsteines) sich abtrennt, reiner Rest.

http://en.wikipedia.org/wiki/Sublimation_(chemistry)

Sagen wir – spekulieren wir mal Folgendes:

  • Wir wären ein durch den Anderen ge-/verschlossenes System (1-7) aus zwei Teilen,
  • Nun, das Vegetativum ist fest/real, es lebt und es brennt (7), vor Hunger, Durst, Peristaltik, Obstipation, Bildern, Tönen usw. – lauter Quellen des Anstosses – Ver-Störungen, böse Objekte, matabolisiert als „no go“, Unlust – und somit drängt es
  • Es mag nun aber im Weiteren so sein, dass aus dem ganzen Treibgeschehen, den Konflikten aus den imaginär identifizierten Repräsentanten heraus, dem erhitzten, festen, neurotischen Sumpf (6) und den kühlenden Zu- und Abführungen in/aus der dampfenden (gasförmig) Sublimationskammer (5, Mutter/Vater/Familie …Analyse) einer sich befreienden, sprechenden Assoziation (Abkühlung), ein Desiderat entsteht – ein sublimierter Stoff, ein Rest (reaminder: This remainder of the thing known, which is called the object a, it is around this that our question should be brought to bear; Seminar XI) – am Kühlfinger der Kammer (5), der das Sublimat bildet, ein aus dem abgekühlten, gasförmigen Zustand neu entstehender fester Zustand materialisiert, als Ergebnis der Resublimierung – die Kreation eines Sinthoms – ein Traum – oder „the satisfaction related to the end of an analysis“?
    • etwas Leibhaftiges, weder mehr oder minder physiologisch gestresst, noch triebhaft partialisiert, weder neurotisch noch symptomatisch, sondern dass, was sich daraus macht, aber eben nicht als Erkenntnis oder heile, fixe Idee (im spinnerten Hirn), sondern verkörpert und leibhaftig – .
      • und der Rest wird Geschichte (6), erinnerter, erregbar und anregbar, aber nicht fixierend, hemmend, zweifelnd, determinierend.

Falls nun der Leib tut, was er sagt und sagt was er tut – falls jeder es erst erfinden muss, bevor es wahr werden kann – dann bedeutet dies nicht Glückseligkeit, selbst wenn es Befriedigung mit sich bringt!

  • eher ein Brennen in eigener Sache, ein Verfolgen des eigenen Begehrens und Geniesens!

EinWurf für eine Vertiefung:

  • RIS – Eine Verknotung vom Realen/Festen, zum Imaginären/Flüssigen und dann zum imaginär bestimmten Symbolischen/Gasförmigen (Sinn) – zur Idee eines Genießens des Tango (einem phallischen Genießen) – macht einen (ersten) Tango, in welchem der feste Körper/der Paso in ein Bild eingepasst wird, schablonenhaft, und die Schablone erlernt und verfeinert aus dem Hörensagen des Tangolehrers, der Verfeinerung seiner Kundgebungen, dem (eigenen) angestrebten Ideal des Tango hervorgeht.
  • RSI – Eine Verknotung vom Realen/Festen, zum Symbolischen/Gasförmigen und dann zum Realen am Imaginären/Flüssigen, zum sprachlosen Körperbild, im Körper real/materialisiert (resublimiert) – zum Leibempfinden eines femininen Genießens – macht einen (zweiten) Tango, in welchem der Paso, als fester Schritt einer in den Organen des Körperlichen zum Ausdruck kommenden Haltung, ein bildloses Symbol – nicht als ein ideographisches oder sinnbildhaftes Zeichen eher als ein Zeichen einer mathematischen Formel – ein realisiertes Symbol in einer Reihe von Symbolen wird – und da wir die Reihe an Symbolen, die kommenden Pasos, Figuren und Abrazoempfindungen nichtg länger bildhaft vorwegnehmen, nicht vor dem Ideal einer Idee ermessen können, verbleiben wir in einem Unermesslichen – diese Ergriffenheit ist dann aber nicht ohne einem Ängstigenden, einer Bedrohung unserer sprachlich vergewisserten Existenz, des essentiellen Kerns unseres ….r Ich…s.

Und die Tangoregung?

Diese lebt ein Eigenleben als plötzlich auftauchende Empfindung, als ein Sich-Regen eines Gefühls, eine innere Bewegung, eine Anwandlung, Epiphanie – und sie spricht, als parletre, als Sprechwesen – und es sagt: „Das bist du!“

  • Doch reicht es von einem kleinen Kitzel bis zum Verbrennen – mit „Leib und Seele“!
    • Daher die Angst, die diese Regung anzeigt, dieses „Das bist du!“
  • Und wir alle haben eine Ahnung davon als „Das/So könntest du sein!“ – doch kaum eine/r gibt sich da hinein, verschwindet in dem „könntest sein“ und geht in dem „Das bist du!“ auf.

Mehr oder minder lange nachdem die Reiz-Reaktions-Verbindungen im Tango erlernt ist, die Erregungen abflauen, nachdem die eigene Tangokunstfertigkeit angeeignet ist, und der eigene – selbstwirksame – Tangostil gefunden wurde und die Tanda nicht mehr erschwitzt wird, sondern anregend begangen, erst dann kann sich ein Weg abtrennen von einem

  • „Mehr desselben“ (\infty ) und immer perfekterem Seiner und Schöner (bis zum erlernte, weltmeisterlichen Showtango),
  • „Mehr desselben“ (\infty ) und immer anregender, näher und intimer (bis zur Verliebtheit in den Tango oder ineinander)
  • und/oder einem „Ambigen“ (und/oder/sowohl als auch)
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Quelle: Möbiusband
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(Schneide einen Streifen Papier, wende ein Ende, klebe die Enden aneinander, fahre die Oberfläche mit dem Finger entlang)

  • Der Leib ist deshalb nach Merleau-Ponty ambig, weil er weder ein reines Ding noch reines Bewusstsein ist.
    • weder die (physiologische) Erregnung noch die (psychisch empfundene) Anregung.
  • Der leibhaftige Tango (II) ist dabei nicht ein „Leib für mich“ wie es Merleau-Ponty meint, und wie er aus dem Empfinden des mich selbst Berührens entsteht, und auch kein Oszillieren zwischen Innen und Außen, mir und dir, Tanguera und Tanguero,
  • eher eine „originäre“ Konstellation/Repräsentation, in welcher zwei Körper sich in ihren Bewegungen (Paso, Abrazo …) um-/verschlingen und sich dabei so auf-nehmen/-heben, dass Außen innen und Innen außen repräsentierbar werden (in Anlehnung zu Aulagniers Piktogramm, aber ohne Inkorporation/Metabolisierung dessen, was von Außen kommt) und sich ein gemeinsam erlebter Leib mehr oder minder lang anhaltend bildet (ein Sublimat, körperlich empfunden).
    • Soviel zum Versuch es in Worte zu fassen, etwas, dass jeder für sich in Anspruch nehmen kann, jedoch nur der jeweils Andere verifizieren – nicht mit seiner geäußerten Bestätigung, als viel mehr mit seinem unwillkürlichen Atem, seinen sich öffnenden Poren, seinem Frösteln, einer inneren Hitze, einem Soggefühl oder seinem Erwachen aus der Tanda.
  • es ist schon im Abrazo
  • es ist das der gehörten Tanda Unterworfene (subjectum)
  • es kann in all den Schrittabfolgen und Figuren sein, die ich nicht beherrsche (also ich jetzt, der das her schreibt 🙂 )
  • es braucht so wenig äußerliches
  • und natürlich auch ein gewisses Maß an Könner und Technik

home

(Quellen: Freud, S. (1915). Die Verdrängung. http://www.psychanalyse.lu/Freud/FreudVerdrangung.pdf; Freud S. (1915). Triebe und Triebschicksale. http://www.psychanalyse.lu/Freud/FreudTriebschicksale.pdf; Johnston, A. (2009). Affektive Life between Signifiers and Louis-sens: Lacan´s Senti-ments and Affectuation. Filozofski vestnik, V XXX, No. 2, 113-141. https://core.ac.uk/download/pdf/287250202.pdf; The Cult of the M other Goddess, https://ericwedwards.wordpress.com/2013/07/17/the-cult-of-the-mother-goddess/; McDermott, L (1996). Self-Representation in Upper Paleolithic Female Figurines. Current Anthropology, Vol. 37, No. 2. (Apr., 1996), pp. 227-275. https://www.journals.uchicago.edu/doi/abs/10.1086/204491; Fonagy P, Target M. The rooting of the mind in the body: new links between attachment theory and psychoanalytic thought. J Am Psychoanal Assoc. 2007 Spring;55(2):411-56; Ferrari, A. (2004). The Eclipse Of The Body, The Dawn Of Thought. Free Assn Books; Lacan, J. (2006). Das Seminar. Buch V (1957–1958): Die Bildungen des Unbewussten. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin, ISBN 978-3-85132-470-9; Lacan, J. (2021). Das Seminar. Buch X (1962–1963): Die Angst. Übersetzt von Hans-Dieter Gondek. Turia + Kant, Wien/Berlin, ISBN 978-3-85132-632-1; Porges SW. The polyvagal theory: neurophysiological foundations of emotions, attachment, communication and self-regulation. New York: Norton (2011). doi: 10.3389/fpsyg.2017.00384; Frederickson JJ, Messina I, Grecucci A. Dysregulated Anxiety and Dysregulating Defenses: Toward an Emotion Regulation Informed Dynamic Psychotherapy. Front Psychol. 2018;9:2054. Published 2018 Nov 5. doi:10.3389/fpsyg.2018.02054; Fitzgerald JM, Phan KL, Kennedy AE, Shankman SA, Langenecker SA, Klumpp H. Prefrontal and amygdala engagement during emotional reactivity and regulation in generalized anxiety disorder. J Affect Disord. 2017 Aug 15;218:398-406.; Lang PJ, Bradley MM, Cuthbert BN. Emotion, attention, and the startle reflex. Psychol Rev. 1990 Jul;97(3):377-95. PMID: 2200076; Angola, S. et al. (2009). Startle as a clinical marker for the neurological and psychological diagnosis during development. Psicologia Clinica dello Sviluppo 13(3):423-452, DOI:10.1449/30781; Bache C, Springer A, Noack H, Stadler W, Kopp F, Lindenberger U, Werkle-Bergner M. 10-Month-Old Infants Are Sensitive to the Time Course of Perceived Actions: Eye-Tracking and EEG Evidence. Front Psychol. 2017 Jul 14;8:1170. Rousseau PV, Matton F, Lecuyer R, Lahaye W. The Moro reaction: More than a reflex, a ritualized behavior of nonverbal communication. Infant Behav Dev. 2017 Feb;46:169-177; Lahousen T, Unterrainer HF, Kapfhammer HP. Psychobiology of Attachment and Trauma-Some General Remarks From a Clinical Perspective. Front Psychiatry. 2019 Dec 12;10:914; Oskarsson S, Patrick CJ, Siponen R, Bertoldi BM, Evans B, Tuvblad C. The startle reflex as an indicator of psychopathic personality from childhood to adulthood: A systematic review. Acta Psychol (Amst). 2021 Oct;220:103427.  Wörmann V, Holodynski M, Kärtner J, Keller H. The Emergence of Social Smiling: The Interplay of Maternal and Infant Imitation During the First Three Months in Cross-Cultural Comparison. Journal of Cross-Cultural Psychology. 2014;45(3):339-361. doi:10.1177/0022022113509134; Mellier D. The psychic envelopes in psychoanalytic theories of infancy. Front Psychol. 2014 Jul 15;5:734. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2014.00734/full; Kühn, R. (1992). Leiblichkeit als Lebendigkeit.  Michel Henrys Lebensphänomenologie absoluter Subjektivität als Affektivität, Alkber; M. Henry, Inkarnation. Eine Philosophie des Fleisches, Freiburg/München, Alber 2002; Flanders, S. (2015). On Piera Aulagnier´s Birth of the Body, Origin of a History. International Journal of Psychoanalysis, 96, 1403-1415; Aulagnier, P. (2001). The Violence of Interpretation: From Pictogram to statement. London: Routledge; Leiser, E. (2002). Piera Alaugier oder der Ursprung des Subjekts im Körper. In: E. Leiser, Das Schweigen der Seele das Sprechen des Körpers: Neue Entwicklungen in der Psychoanalyse. Turia + Kant, Wien/Berlin; Fulgenicio, L. (2018). Can Winnicott’s psychoanalysis be the accomplishment of a phenomenologically oriented scientific psychology project? Psicol. USP 29 (2); Chiesa, L (2002). Lacan Le-sinthome. in: Re-inventing the Symptom – Essays on the Final Lacan, edited by Luke Thurston, New York: Other Press. https://return.jls.missouri.edu/ReturnVol2/Chiesa.pdf.

Versuch über die Leibhaftigkeit des Tango

Leibhaftigkeit ist eine Form des Empfindens, der Kenntnisnahme oder Präsenz/Gegenwärtigkeit eines „körperlichen Vermögens“, die die Vorstellung des Körpers als Bild (imaginär) oder Wort (symbolisch) begleitet und ihm vorausgeht.

Leibhaftigkeit ist eine Form des So-Seins als Gegebenheit/Anwesenheit, der sich der Tanguer nicht gegenübergestellt sieht oder die er zu bezeichnen sich genötigt sieht – es ist nicht der „Körper, den ich sehe“, „mein Körper, den ich bezeichne“, eher „ein/e Körper/-lichkeit als Tatsachenerfahrung“ (und gut is)

Leiblichkeit im Tango ist schweigend, neben den funkelnden Bildern, die nach Ausdruck, Bezeichnung und Benennung heischen.

Leiblichkeit ist vor-aller-erst ein Ruf des Organs (evtl. als Vegetativum) an die Sinne (evtl. Sensorium), die einen anderen, andersartigen Ruf eines Organs an die Sinne zur Kenntnis nehmen, gegenwärtigen, empfinden.

Die Gegenwärtigkeit von Leiblichkeit wäre so auch eine Erhörung, ein Hauch, ein Atem, und auch eine Sprachlosigkeit.

In der Begegnung der Tanda, der Berührung des Abrazo, dem Fluss der Figur wäre die Leiblichkeit das

  • ex-time, möbiusband-hafte Empfinden sich ex-zentrisch zu verorten (durchaus mit Haut und Haar),
  • unterschieden von der Phantasie als imaginäre Repräsentation der Verhältnisses zweier (getrennter) Körper zueinander oder der
  • gedanklichen Repräsentation, der Bezeichnung der Tanda als ….. (what ever).

Diese Ambiguität des Leibhaftigkeitsempfindung wird durch die Kraft der Phantasie und der bedeutungsträchtigen Sprache gewaltsam in die Ordnung der Gesetzmäßigkeit gesogen, um anschaulich, schön, richtig und gesittlich zu sein.

Leibhaftigkeit ist kein Zustand einer Repräsentation als Sach- oder Wortvorstellung, als Imagination oder Symbolisierung, als ikonisch oder symbolisch. 

Eher eine Form des Empfindens, der Kenntnisnahme oder Präsenz/Gegenwärtigkeit eines „Körperlichen“, in der die Trennung zwischen dem Prozess des Repräsentierens und dem Repräsentiertem zusammenfällt und somit das Repräsentierte unmittelbar zerfällt, wird es der Vorstellung unterzogen, wird es zur weiteren bildhaften oder wörtlichen Nutzung (Metonymie, Verschiebung, Assoziation, kognitiven Verarbeitung) vorgestellt.

Leiblichkeit wäre eine Metapher, die sich um Organismus materialisiert, im „Körperlichen“ empfunden werden, die sich gar vorstellen kann, jedoch nicht ins denkende Ich Einlass findet/erhält.

Das Leibhaftige ist das aus dem primordialen, ephemeren Urzustand, aus dem „Loch im Realen“ hervorquellende – vielleicht ähnlich auch der Triebrepräsentanz – bevor diese durch das „Kultivierte“ des Verstandes gezogen und als wahr (das bin ich, das ist mein, so kenne ich mich) angenommen wird.

Anders als eine Besetzung und Steuerung der Repräsentationen durch Lust-Unlust-Erfahrungen oder Belohnung und Bestrafung, unterliegt die Leiblichkeit der Passung und der erworbenen Bandbreite/Toleranz dessen, was passt. 

  • Passt die Berührung, die körperliche Nähe, der Geruch, die Schrittlänge, die Geschwindigkeit der Drehung ….
  • Passt die Phantasie zum Bild des Anderen und zu dem, was daraus so alles folgt.
  • Passt das jeweils Gesprochene zu …..!

Wieviel Gewalt des jeweils Anderen können wir tolerieren, was kann er uns an-tun, ohne unsere Passung gerade eben zu überfordern, unser Mindestmaß an Lust zu zerstören.

Es fängt spätestens beim auffordernden Blick an und hört noch lange nach dem Tritt auf den Fuß nicht auf!

Was braucht es um anzudocken und was, um angedockt zu bleiben und was, um mental verschwinden zu können, bei voller Präsenz in der Tanda – bewusst ohne zu wissen -?

In Moment der Tanda überfordert uns das Angebot des Anderen bereits in der cabeceo, der Aufforderung, mit Mirada, dem Blickkontakt und einem bestätigenden Nicken oder ablehenden Wegsehen -, die Präsenz des anderen Tanguer, mit all dem, was wir sehen, was wir uns denken, was wir innerlich empfinden und was uns zu dem oder jenem Ausdruck verleitet – nur merken wir das für gewöhnlich nicht und wollen auch nichts davon wissen- aber nur so kann es zur vollen Wirkung kommen, dieses unbewusste ES.

Wir fordern zwar auf und werden aufgefordert, selektieren aber immer schon vorab das vorhandene Angebot nach Maßgabe des Interessanten, des Anregenden, Erwarteten aber bloß nicht einhergehend mit einer möglichen Über- oder Unterforderung – die wir als irgendeine Form der nicht-Anerkennung des Anderen oder von ihm an uns selbst wahrnehmen – die wir dann im Anblick und Nicken oder im Wegschauen äußern – und selbst wenn wir glauben, dass wir das bewusst steuern, hat unser unbewusstes Sein schon längst entschieden.

Doch die Leiblichkeit, und die Möglichkeit einer entstehenden Passung hängen davon nicht ab, sie ist an unsere antizipierte Lust-Unlust beim scannen des Angebotes nicht gebunden – sie ist primal und originär.

Jede Leiblichkeit zerfällt bei einer phantasierten oder zugesprochenen Bedeutungszuschreibung, da diese den notwendigen Mangel (Ⱥ), das erforderliche Loch oder „Offen-sein“ für eine passende, passierende, passagere Begegnung stopft und zerstückelt.

Der Anspruch des Anderen, seine Anforderungen, sind unsere Forderungen, unsere an ihn gestellten und an ihm wahrgenommenen Erfordernisse, an denen wir dann alles ermessen, was in der folgenden Tanda geschieht – und das Ergebnis der Tanda ist unserer selbsterfüllte Prophezeihung, gleichgültig, ob das Ergebnis wunderbar oder katastrophal ist.

Anders als Kinder, als ein Bild des narzisstischen Körperbildes, bedarf es beim Tanguer der Offenheit als Bereitschaft, sich durch den Anderen durchlöchern zu lassen, ihm offene Stellen im beanspruchten Raum des Paso und des Abrazo anzubieten – unerwartete Stellen, schmerzhafte, da sie nicht geschaffen sind, um uns Lust zu machen, zu bestätigen, anzuerkennen, sondern, das sich da etwas regt.

Im Besten Fall tauchen solche Stellen auf, wenn sich Tanguero und Tanguera der Musik des Tango, des Vals, der Milonga unterstellen – einem dritten Faktor – der etwas gesetz-tes, nicht vorschreibt, das wäre sehr väterlich, jedoch vorspielt (was dann nicht in einem Drama, einer Komödie, einer Tragödie des Tango enden würde, wenn dadurch die Passung möglich wird und die Leiblichkeit im Tango entsteht – denn erst wenn wir beide ihn erfinden, kann er für uns, und nur für uns wahr werden).

Leiblichkeit bedarf der Bereitschaft, dem anderen seinen Mangel anzubieten (d.h. seinen und meinen); ein ermangelndes (d.h auch etwas ermangelndes) Angebot, welches dieser nur ob des erforderlichen Mangel-haften füllen kann, mit seinem Paso – jedoch bitte nur halb und als solche ebenso mangelhaftig, sonst entsteht Fülle, in der der jeweils andere Tanguer nichts verloren hat, nichts findet, da alles verstopft ist, da ihn das eindeutige Angebot völlig überfordert. Jeder Paso, auf den der Andere so oder so, aber nicht so, zu antworten hat, ist ein destroyer der Leiblichkeit.

Und das hat nichts damit zu tun, ob der Paso klar gesetzt, die Figur präzise getanzt wird, es ist die Einstellung zur, der Diskurs in der Tanda, eine Haltung, die halten, anhalten und dann, am Ende der Tanda auch enden/anhalten kann. 

Leiblichkeit wäre dann möglich, wenn eine Bereitschaft zum Mangel, zum Angebot offener Stellen, zum eindeutigen Paso, der aber doch nur halb ist, und die Stelle des Pasos des Anderen durch seinen eindeutigen Ort als offen kennzeichnet, wenn auch nicht nur keine Erwartungen an den Anderen, sondern eine psychische Mange-haftigkeit, innere offene Stellen (intim) sich auftun, anhält, an denen der Andere (extim) erscheint. 

Eine Passung – nicht durch Gemeinsam geteiltes Lust-Unlustverhältnis entstehend, sondern durch ein Wechselbad aus intim und extim verorteten Befindenszuständen, zunehmend nicht eindeutig zu verorten, in mir, bei mir, an dir, in dir – Affekte bis ins Organische, Gefühle bis ins ästhetisch-schöne, Bilder, Worte, aber stets ohne inhärentem Aufforderungscharakter; Metaphern, eine nach der anderen, aber eben nicht metonymisch verweisend, was ja dann nicht mehr „stand alone“ wäre und schließlich in einer Bedeutungszuschreibung endete, die einen wieder in das bewusste Hier und Jetzt dieser aufgeklärten Welt zurück bringt.

Leiblichkeit sind eine Art sich selbst erzeugende Metaphern, körperlich, imaginär, symbolisch, sind Übertragungen, oder gar Metamorphosen, Umgestaltungen, bei denen ein Element, etwa der Paso, das Haar im Gesicht, der Duft des Körpers, aus seinem eigentlichen Zusammenhang aufgehoben, in einen anderen Zusammenhang, ein Einatmen bei der Pasoberührung, ein verspüren des Haars am Mund, eine Erinnerung an den Duft von Damals, übertragen oder gar umgestaltet wird, ohne dass dadurch eine Beziehung zwischen den Elementen entsteht – jede Metapher ist „stand alone“ und nicht beziehungs- oder bedeutungsstiftend – reines Genießen.

Es kommt in der Leiblichkeit zu keinem Bruch im Gleiten des Bedeutungslosen, des Mangels an Bedeutung.

Wie könnte Leiblichkeit entstehen?

In den „normalen“ Tango (I) bricht eine unerwartete Erfahrung ein – von Innenhof, von außen her -, die sich nicht einordnen lässt, nicht weg-zu-rationalisieren, die vielmehr hartnäckig persistiert, als ein x, das sich der Metonymie widersetzt, bedeutungslos bleibt, „so ist, wie es da ist“, eine Metapher. Dieser Umstand wird vom denkenden Ich als Leiden, als Schmerz (wie schwach auch immer) empfunden, auf den eine Angst (wie gering auch immer, vielleicht nur als ein „Bewusst werden“ von Unannehmlichkeit) antwortet und daraufhin ein Husten, ein Fehltritt, eine Ruppigkeit, ein Gedanke, ein Urteil oder was auch immer, den Zustand zerreißt, aufschnürt, um wieder denken zu können, Kontrolle zu haben. 

Wieviele der getanzten Tangos und Tandas haben plötzliche auftretende und/oder chronische Fehlhandlungen und -haltungen, bei denen kein Zusammenhang zum einfallenden x erkannt, vermutet wird – es wäre einer Selbstaufmerksamkeit dafür Wert -. 

  • „Bin halt nur zufällig mit dem Fuß eingeknickt!“
  • „Hab kurz mal da rübergeschwommen!“
  • „Bin etwas zügiger in die volcada rein!“
  • „Hatte grad in dem Moment eine Idee!“

Alternativ dazu wären nun eine Bereitschaft der Leidensfähigkeit und des Aushaltens, der Möglichkeiten, dem x Bewegungsfreiheit zu lassen, es wabern, aufquellen und einfallen zu sehen, und dem nicht nachzuempfinden, sondern es empfinden – dabei frei zu halluzinieren oder es als unspezifische Coenästhesie bestehen zu lassen (hier spätestens denken Viele an Tango-Achtsamkeit, wovon das Netzt sich zunehmend füllt). 

Dem x die Bewegungsfreiheit lassen und es vor allem vor dem Zugriff des imaginären (Sachvorstellung) und symbolischen (Wortvorstellung) verarbeitungsgeschehen in Ruhe zu lassen – so in Ruhe zu lassen, das es „am Loch des Realen“ verbleibt, meander, quellen, zerfallen und neu entstehen kann.

Mit dem x ist etwas vom Anderen, ist etwas in uns eingetreten, das sich unserer Signifizierung widersetzt (S(Ⱥ)), vielleicht der reale Andere, und nicht unsere Phantasien und Bekanntheiten von ihm, vielleicht der Repräsentant unseres Triebes, unserer Affekte, unseres Genießens, an dessen originärem Entstehungsprozess der extime Andere mitwirkt, noch vor jeder Phantasie und jedem Icherleben (Aulagnier und auch McGowan). 

Dieses x (denn es kann nicht sprachlich festgelegt, definiert werden, sonst wäre es nicht originär, primal) ist die Regung, aus der natürlich jede Form der Anregung und Regung hervorgehen kann (somit dann der Tango I).

Behält dieses x seine Bewegungsfreiheit, können wir am Anderen – an dem was „er“ in uns ist – leiden (erschaudern, erherzklopfen, erstummen, erstaunen, erschüttern, erinnern, erblinden, erhören, ergehen, erfahren …) – als die Quelle unsere Affekte (deren Signifizierung Sach- und Wortvorstellungen hinzuaddiert.

Und wenn wir es nicht erleiden/erschmerzen, so machen wir es un-/angenehm, unerträglich, schön, doof, ekelig, sauer, richtig, lieblich … und was unsere Worte so hergeben..

Einmal die Haltung zum x gefunden, so lässt sich trefflich darum kreisen und genießen.

Wie nun kommen wir zu dieser x-Haftigkeit unserer Leiblichkeit?

Das Repräsentieren fällt mit dem Repräsentiertem zusammen; der Repräsentant und das Repräsentante haften, kleben aneinander – die Differenz wird Indifferent, die Dualität verbleibt im Raum des Möglichen.

Was soll dat denn? (ne köllsche Art etwas für doof zu erklären)

Möbiusartig korrespondieren die Sinnesorgane mit dem was sie regt, von außen, „extim, als die empfundene Regung der Tanguer(a/o), als Tangomusik, -schritt, -figur, und von innen (intim), als Regung von von Herz, Bauch und Verstand

  • Die Information verschwindet mit ihrem Auftreten, „It does not inform us!“
  • Der Gegen-stand, „stands alone!“ und steht und nicht mehr ent-gegen.
  • Die Anregung verbleibt an ihrem Ort, als Hinweis, Zeichen, Semiotik – Signal des paso, der colgada, des abrazo, der barrida … ohne gleich reflektierend betrachtet zu werden.
  • Die Erregung kommt vom x, und nicht vom Begehren, es ist ein Vermögen, überhaupt etwas begehren zu können!

Das nicht Verwenden der x-haften Energien zur Reflexion und sonstweder Ver-Arbeitung, führt zu einem Mehr an originärer Schmerzlust – ein Schmerz nur insofern sie uns antreibt, zu begehren, ihr Ursachen zu Repräsentieren, sie zu verarbeiten und ihre Energie zu binden, etwas mit ihrer Antriebskraft zu besetzen – Kathexis – (und schwupp, eingefangen in der Phantasie/Phantasma).

Erst über das An-nehmen, Aus-halten dieser Art Schmerz (des in Bildern und Worten repräsentieren zu müssen, es in diesen zu ver-arbeiten) führt ins Genießen, in „love and pain“, (s.u. Nasio) the pain of love und the love of pain (vermutlich gibt es kein besseres Wort um diese Regung zu bezeichnen als das Wort „Schmerz“ … vielleicht „Leid“)

Das Leibgefühl, die Leibhaftigkeit des Tango ist dieser originäre Schmerz, dieses Genießen, dieses „ich kann dich gut leiden!“

Dieses x könnte das lacanianische Begehrensvermögen beim „Objekt a“ sein – davon irgendwann mal mehr.

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(Quellen: Aulagnier, P. (2001). The Violence of Interpretation: From Pictogram to statement. London: Routledge; Leiser, E. (2002). Piera Alaugier oder der Ursprung des Subjekts im Körper. In: E. Leiser, Das Schweigen der Seele das Sprechen des Körpers: Neue Entwicklungen in der Psychoanalyse. Turia + Kant, Wien/Berlin; McGowan, T (2004). The End of Dissatisdaction. Jacques Lacan and the Emerging Society of Enjojment. State University of New York Press; Nasion, J.-D. (2003). The Book of Love and Pain: Thinking at the Limit with Freud and Lacan. State University of New York Press, Nemitz,. R (2003). Ding – Objekt a – Objekt des Begehrens. https://lacan-entziffern.de/objekt-a/ding-objekt-a-objekt-des-begehrens/